Indes liegt Volume 3 der Gesamtaufnahme des sogenannten französischen Jahrgangs von Georg Philipp Telemann vor.
Erschienen ist das Doppel Album beim für Entdeckungen verdienten Label CPO in bewährter Zusammenarbeit mit SWR2 Kultur.
Wieder sorgen die Gutenberg Soloists und das Neumeyer Consort unter Leitung von Felix Koch zusammen mit namhaften Gesangsolisten für eine Maßstab setzende Interpretation dieser Weltpremieren.
Leider hatten wir nicht mehr das Glück, wie noch bei Volume 1, in einem kleinen Schloss an der oberen Loire diese Kirchenstücke erstmals anzuhören. Dennoch entfalteten sie ihre Grandeur rein musikalisch, ohne die so passende Chateau-Athmosphäre.
Der französische Stil ist allgegenwärtig, Theatralik a la Lully und Campra vermengt mit dem Charme eines Rameau, alles ins Deutsche übersetzt von Telemann ist das dann. Freilich gibt es Reminiszenzen an den italienischen Stil und meisterhaft gearbeitete Fugen in den Chorsätzen. Ergänzt werden die 8 Kantaten dieser Aufnahme durch Choral-Bearbeitungen, die Telemann eigentlich ursprünglich für Orgel gesetzt hat, in einer Fassung für Singstimmen und Orchester.
Die Bearbeitung erscheint schlüssig und die dissonanten und chromatischen, die Choralmelodie umrankenden Bicinien etwa in „O Haupt voll Blut und Wunden“ klingen mit Streichern wunderbar.
Die Kantaten-Poesie stammt von Erdmann Neumeister, dieser war seinerzeit wegweisend und bahnbrechend.
Telemann war der erste Komponist überhaupt, der ganze Jahrgänge von Neumeisters Kantaten-Dichtungen vertonte. Auch Telemanns Freund Johann Sebastian Bach vertonte eine Handvoll von Neumeisters Dichtungen.
In den ersten vier Kantaten agieren Annemarie Pfahler Sopran, Liselotte Fink Alt, Carlos Nigrin Lopez Tenor und Klaus Mertens Bass. Alle Solisten überzeugen stimmlich. Mertens ist dabei der bekannteste Sänger mit viel Telemann Erfahrung und der Bariton, der sämtliche Bach Kantaten unter Ton Koopman aufgenommen hat.
In der Kantate „Weichet fort aus meiner Seele“ herrscht tröstliche Glaubens-Zuversicht. Ein affektvoller Da Capo Chor leitet die Kantate ein. Dieser trifft wunderbar die Diktion des Textes, zu den Streichern und Oboen treten schmetternde Waldhörner, im B-Teil hat der Bass ein Solo. Nach einem Alt Accompagnato folgt eine Gleichnis Arie, die von den Vögeln handelt, die nicht sähen und doch ernten. Zwei Blockflöten imitieren in jubelnden Skalen den Vogelgesang. Weitere Besonderheiten sind ein Terzett für Singstimmen und eine Sopran Arie voller Zuversicht und schallenden Hörnern. Endlich beschließt ein prachtvoller Choral diese Kantate.
Auch die übrigen 3 Kantaten der ersten CD weisen zahlreiche Besonderheiten auf. Expressive Harmonik kennzeichnet „Ein Aussatz ist die Sünde“. Während die Kantaten „Gräulich sind die letzten Zeiten“ und „Werd ich denn zu deiner Rechten“ vom jüngsten Tag handeln und mit ausdrucksvollen Arien und Rezitativen und dicht gearbeiteten Chorfugen aufwarten.
Dass es eine spannende musikalische Entdeckungsreise wird, dafür sorgen alle Beteiligten.
Auf der zweiten CD setzt sich das Solisten Ensemble zusammen aus Kathrin Lorenzen und Julie Grutzka Sopran, dem Altus Etienne Walch, den Tenören Fabian Kelly und Hans Jörg Mammel sowie Gotthold Schwarz Bass. Letztere sind die bekanntesten Sänger, wobei der zweite sogar bis vor kurzem Thomas-Kantor in Leipzig war. Nicht weniger beeindruckend sind die vier Kantaten der zweiten Folge. Telemann als Meister geistlicher Musik ist erst noch zu entdecken. Trompeten verstärken die Kantate zum Michaelsfest, setzen kriegerische bis jubelnde Akzente. Ausdrucksvoll sind auch die zum 11 und 12 Sonntag nach Trinitatis. Geradezu szenische Qualitäten hat der Eingangschor von „Brich dem Hungrigen Dein Brod“. Wieder beeindrucken diese Kirchen-Stücke und werden trefflich interpretiert.
Es ist eine Freude zuzuhören.
Jean B. de Grammont