
Die Geburt des kaiserlichen Erbprinzen Leopold aus dem Haus Habsburg anno 1716 war ein lange herbeigesehntes Ereignis nicht nur seiner Eltern Kaiser Karl VI und Kaiserin Elisabeth-Christine aus dem Haus Braunschweig Wolfenbüttel, da damit auf den spanischen Erbfolgekrieg ein neues Zeitalter guter Regierung beginnen würde. So hoffte man zumindest.
Anlass genug in der Stadt der Kaiserkrönungen, nämlich Frankfurt am Main, dies mit solenner Musik gebührend zu feiern.
Allerdings starb der kleine Prinz leider noch im Jahr seiner Geburt, das war die Ironie der Geschichte. Nach dem Tod Karls VI 1740 folgte dann endlich, da es keine weiteren männlichen Stammhalter gab, Kaiserin Maria Theresia.
Doch wenigstens war wieder Friede eingekehrt. In den Jahren 1713 und 1714 nach den Verhandlungen in Utrecht und im badischen Rastatt hatten die Kriegsparteien Frankreich, Österreich und England wie Spanien den Frieden besiegelt.
Georg Philipp Telemann als Kapellmeister oblag die Aufgabe die Prinzengeburt binnen drei Wochen in einer Kirchenmusik und einer Serenata zu verherrlichen, also diese zu komponieren, einzustudieren und aufzuführen. Ein enormes Pensum.
Mitglieder der Darmstädter Hofkapelle kamen hinzu und andere Virtuosen, um daraus ein echtes Event zu machen.
Für Telemann war das der Beginn einer Folge großer Festmusiken, die er später in Hamburg etwa zum Jubiläum der Admiralität oder zu
Kircheneinweihungen fortsetzen sollte.
Im Barock war es eine wichtige Aufgabe festliche Gelegenheits-Musiken zu schreiben.
In späterer Zeit wertete man solche Stücke als nicht einem Ewigkeitsanspruch genügende Musik ab. Aber so vermessen war man im Barock nicht. Und wenn man die bei CPO als Weltpremiere erschienene Festmusik hört, stellt sich diese Frage erst gar nicht. Denn diese Musik ist einfach großartig und genauso zeitlos wie ein Oratorium von Händel, eine Symphonie von Beethoven oder Brahms. Von Händel etwa gibt es das bekannte Utrechter Te Deum auf den Friedensschluss 1713. Auch Johann Sebastian Bach schrieb Festmusiken auf das sächsische Königshaus, große Teile des Weihnachtsoratoriums gehen darauf zurück. Übrigens wurde diese Festmusik später in Hamburg sogar wiederholt, unabhängig von ihrem einstigen Anlass.
Dank der Kölner Akademie unter Michael Alexander Willens samt Chor und ausgezeichneten Solisten entstehen Kirchenmusik und Serenata nun neu mit aller Prachtentfaltung und großem Einfallsreichtum.
Bereits die Kirchenmusik in zwei Teilen „Auf Christenheit begeh ein Freudenfest“ zeigt Grandeur.
Ein dreiteiliger Eingangschor mit Solisten, Trompetenjubel und konzertierender Oboe, Flöte und Violine ist ein wunderschönes Entree, das von einer Prachtchorfuge wie von Händel glanzvoll beschlossen wird. Hernach schließen sich Ariosi, Accompagnati und Chöre an. Nur eine einzige Da-Capo Arie mit Solo-Trompete für Bass ist im ersten Teil zu finden ganz im imperialen Hofstil in ihrer unübertroffenen Festlichkeit.
Im zweiten Teil nach der Predigt nimmt der Jubel zu und wird in Chören und Soli gesteigert, bis die Fuge aus dem Eröffnungschor wieder ertönt und für eine große Klammer dieser architektonisch durchdachten Komposition sorgt.
Die Kölner Akademie trifft den Tonfall der Musik bestens und die Solisten sind hervorragend wie u. a. Hanna Herfortner Sopran und Elvira Bill Alt sowie Georg Poplutz Tenor und Thomas Bonni Bass.
Mit der anschließenden ebenfalls zweiteiligen Serenata beginnt dann der weltliche Teil des Fests. Damals als Open-Air Musik auf dem Römerberg aufgeführt entfaltet diese Musik die ganze Bandbreite barocker musikalischer Prachtentfaltung und Telemann zeigt sein Talent als musikalischer Maler in Tönen mit der Kraft und Fülle eines Rubens. In der Serenata bekommt wieder die Da-Capo Arie ihr volles Recht.
Wagnerianer aufgepasst, bereits bei Telemann singt Germania samt Chor. Sie ist eine der Dramatis Personae dieser gewissermaßen weltlichen Festoper mit weiteren allegorischen Figuren, wie Irene der Friedensgöttin, dem Kriegsgott Mars, der Stadt Frankfurt, dem Mercurius und dem Fatum, die über eine bessere Zukunft des vom Krieg verheerten Landes singen und so heißt es eingangs „Deutschland grünt und blüht im Friede“ in einem großen Da Capo Chor, den Germania mit hellen sich aufschwingenden Koloraturen anführt.
Davor aber steht einleitend ein großartiges Concerto, das einzige Stück des ganzen Werks, das bereits als eigenes Glanzstück der Concerti con molti strumenti Telemanns längst ein Eigenleben führt und sich allgemeiner Bekanntheit erfreut. Hier nun in der kompletten Fassung mit Intrada, die nur von Trompeten und Pauken gespielt wird.
In einigen Arien zeigt sich Telemanns Talent in Tönen zu malen besonders ausgeprägt, etwa in derjenigen der Irene auf die tobende See. Hier blitzen die Koloraturen nur so über einem stürmischen Orchester. Daneben gibt es verinnerlichte, ja melancholische Arien mit Solo-Oboe und Arien mit Echo-Effekten. Eine Triumpharie erhält selbst Kriegsgott Mars begleitet von Trompeten, Pauken und Hörnern, deren zugleich martialischer und prunkvoller Charakter kaum zu überbieten ist.
Den Singstimmen wird große Virtuosität abverlangt. Schließlich stimmt sogar Mars, dem sonst das Lärmen der Trommeln und der Donner der Kanonen am liebsten ist, ein in die Friedenslieder. Freilich wird erst zu Trompeten-Fanfaren noch einmal Salut geschossen. In der Aufnahme klingt selbst das wie abgeschossene Kanonen von den Bastionen.
Am Ende klingt das Ganze in einem Jubelchor auf den Kaiser aus. Auch zuvor gibt es Ensembles mit Chor von prachtvoller Größe, die mitreißend sind.
Lassen sie sich von barocker Festfreude anstecken! Das ist eine echte Entdeckung und mehr wie nur ein historisches Dokument.
Jean B. de Grammont

