Weihnachten mit Telemann und Carl Philipp Emanuel Bach

(Beginn des Autographs von Telemanns Hirten bei der Krippe zu Bethlehem. Bildrechte Staatsbibliothek Berlin Musikaliensammlung)

Nun kommen sie wieder die Weihnachtstage, wie alle Jahre wieder.
Ein erfolgreiches Geschäftsmodell ist das einerseits, es können aber auch schöne besinnliche Tage sein. Bevor es dann wieder heißt business as usual.

Freilich bleibt bei vielen Menschen Weihnachten eher ein trauriges Fest der Einsamkeit oder zerissene Familien gaukeln sich eine heile Welt vor.
Für das Gros der Menschen in unserer allmählich bröckelnden Wohlstands-Gesellschaft mit zunehmend weniger glaubwürdigen politischen Leitfiguren jeglicher couleur ist es die Zeit überbordender Gelage und bester Tropfen.
Das Paradies des Lukullus auf Erden stellt sich ein, sofern das eigene Geschäftsmodell stimmt. Wenn nicht, geht es für viele Menschen schnell bergab. In diesem Fall bei radikalen Parteien eine Lösung zu suchen ist nicht empfehlenswert.

Genussvoll schlemmen finde ich übrigens wunderbar!
Ebenfalls wird somit Weihnachten ein wunderbares Geschäftsmodell für Fastenkliniiken etc. und zuvor für Feinkost-Händler und Restaurants wie Hotels, wenn etwa Rüstungsbetriebe wie andere Unternehmen oder sehr wohlhabende Menschen ein komplettes Haus buchen, um dann die Sekt- oder vielmehr Champagner-Korken knallen zu lassen und die sprichwörtliche Schlacht am Büffet zu beginnen.

Anlass des Festes ist aber, wie sie vielleicht wissen, eigentlich die Geburt eines kleinen Jungen namens Jesus von Nazaret im Stall von Betlehem. Nicht in einer Villa, einem Schloss oder in einer Suite eines Luxushotels kommt der kleine Jesusknabe zur Welt, sondern am Rande der sogenannten besseren Gesellschaft in einem Stall, da sie sonst keine Herberge fanden.

Aber bevor ich hier weiter abschweife liebe Leserin, lieber Leser gebe ich Ihnen ein paar Musiktipps aus der überreichen Schatzkammer der Musik vergangener Epochen, diesmal mit Musik zu Weihnachten und dem Weihnachtsfestkreis aus der von mir so geschätzten Ära des Barock und der Aufklärung.

Aber wie ich es eben gerne mache, werden Sie hier eher Musik abseits vom Mainstream finden.

Es geht tatsächlich noch um CDs! Vielleicht sind CDs altmodisch geworden, aber selbst die Schallplatte wurde ebenfalls bereits totgesagt und hat ein echtes Comeback erlebt. Vinyl ist mehr in denn je. Sammler sind glücklicherweise noch nicht ausgestorben.

Es mag mittlerweile selbst pensionierte evangelische Pfarrer geben, die hören nur noch bei Spotify, trotz guter Pension, die es Ihnen eigentlich ermöglichte ab und an Ensembles und Plattenfirmen zu unterstützen.

Ich hoffe also sie lieben noch Tonträger? Stellen Sie sich vor, wie sie unterm Weihnachtsbaum eine CD auspacken, liebevoll in Geschenkpapier gewickelt. Sie halten etwas in Ihren Händen, haben ein Booklet mit Einführungstexten und auch den gesungenen Worten. Zudem gibt es mit den Coverbildern zusätzlich einen kleinen Gang durch die Kunstgeschichte. Bei den Telemann CDs finden sie eine reizvolle Anbetung der Hirten des manieristischen Malers Jacopo Bassano aus dem Veneto, und dann eine nach 1905 entstandene Abstraktion des auf diesem Gebiet wegweisenden Adolf Hölzel, der zuletzt an der Stuttgarter Kunstakademie gelehrt hat. Bei der Scheibe mit Carl Philipp Emanuel Bach ist es eine Maria mit dem Jesuskind vom großen spanischen Barockmaler Esteban Murillo aus Sevilla. Also eine Freude für das Auge für Liebhaber alter Meister und Freunde der klassischen Moderne gleichermaßen.
Gleichgültig ob sie die Weihnachtsgeschichte nun für ein schönes Märchen halten oder daran glauben? Hauptsache sie glauben überhaupt noch an Etwas. Es muss nicht unbedingt der Glaube an den Weihnachtsmann sein, aber auch nicht der an den besten Aktienkurs. Vielleicht glauben Sie wenigstens noch an die Wunder der Künste?

Egal an was Sie glauben , sie dürfen sich angesprochen fühlen von den anheimelnden Klängen dieser wunderschönen Musik von Georg Philipp Telemann und Carl Philipp Emanuel Bach.

Alle drei Alben sind beim Label CPO erschienen, die beiden Telemann Platten schon vor gut 30 Jahren. Die mit Musik seines Nachfolgers in Hamburg Carl Philipp Emanuel Bach erst vor zwei Jahren.
Zweimal gibt es hier Vertonungen des Lateinischen Magnificats zu entdecken.
Das ist der Lobgesang Mariens nach der Verkündung des Engels, dass sie Jesus gebären werde, der übrigens selbst in der protestantischen Kirche genau so wie die Missa brevis ein beliebtes Genre war.

Telemann schrieb sein Magnificat bereits kurz nach 1700 in Leipzig, er war gerade vom Studenten der Jurisprudenz in das Organisten-Amt an der Neukirche gewechselt.
Ein zweites deutsches Magnificat schrieb Telemann wohl knapp ein Jahzehnt später in Eisenach als Hofkapellmeister des Herzogs Johann Wilhelm von Sachsen-Eisenach.
Beide Magnificat Vertonungen Telemanns wurden und werden von der Tonträger-Industrie sehr vernachlässigt. Und auch in Konzerten hört man diese glänzende Musik höchst selten.
Vom Lateinischen Magnificat gibt es bis heute insgesamt drei Einspielungen, dabei ist die älteste sogar eine bearbeitete Version aus den späten 1960igern. Vom deutschen Magnificat gibt es gerade einmal zwei Aufnahmen, davon eine historisch informierte Version.

Schon als Student hatte Telemann immer wieder Kantaten aufgeführt und Opern für das Leipziger Opernhaus geschrieben. Ein wenig zum Ärger des damaligen Thomas-Kantors Johann Kuhnau, der meinte -da er Konkurrenz witterte-jetzt kämen junge Operisten in die Kirche. Freilich war Kuhnau für Telemann eines seiner Vorbilder neben Johannes Rosenmüller, Agostino Steffani, und Jean Baptiste Lully, gerade bei geistlichen Sachen.

(Auch von Kuhnau ist ein glänzendes Magnificat überliefert. Irgendwann werde ich darüber auf haute-culture-jdg.de schreiben.)

Das Vorbild Kuhnau und anderer hört der Musikexperte dann auch deutlich, dieses Frühwerk Telemanns steht noch mit einem Bein im 17. Jahrhundert. Aber mit dem Schwung seiner wohlgesetzten Chöre und in den durchkomponierten Duetten und Ariosi vor allem melodisch und harmonisch übertritt dies Werk bereits die Schwelle zu einer neuen Musikepoche.

Das Alsfelder Vokalensemble und das Barock-Orchester Bremen unter Leitung von Wolfgang Helbich haben das stilgerecht aufgenommen.

Telemanns Magnificat ist gesetzt für Solisten und Chor, drei Trompeten, Pauken und Streicher mit Generalbass.
Gleich zwei Bässe, hier fabelhaft gesungen von Philipp Langshaw und Harry van der Kamp, sind in einem martialischen die Macht des Herrn preisenden Duett zu schmetternden Trompeten und Paukenschlägen vereint, das fast noch an Monterverdi Madrigale erinnert mit seinem rollenden Koloraturen auf il bracchio suo und das geht dann attacca über in den kurzen Chor der vom Sturz der Mächtigen und der Erhebung der Niedrigen unvergleichlich kündet. Das ist das Zentrum des Stücks.
Das ganze beginnt mit einer kurzen marschartigen Sinfonia und einem jubelnden Eingangschor, der stilistisch an französische Musik von Campra und Lully anklingt. Weitere Ariosi für Alt und Sopran werden eingeflochten zwischen die Pfeiler der Chöre. Hier vom Altus Graham Pushee und Sopranistin Mieke van der Sluis vorgetragen. Besonders berührend dabei das von pochenden Streichern begleitete in italienischem Cantabile fliessende Et misericordia eius mit einer expressiven Harmonik auf die Worte timentibus eius.

Überhaupt ist hier Telemanns Feingefühl für Sprache und Rhetorik beeindruckend.
Der Komponist geht vom Vokalen aus, setzt stimmgerecht und betont jedes lateinische Wort ungemein prägnant.
Nach einem Tenorsolo, das in expressiven Gängen der begleitenden Violinen von den Hungrigen singt, die mit Gütern gefüllt werden esurientes implevit bonis, wird endlich die Dreifaltigkeit in einem Trio aus Sopran und Bass zum Basso Continuo gepriesen, das klingt wie von Agostino Steffani, und endlich klingt das Werk aus mit dem in kraftvollen Akkorden vorgetragenen Et sicut erat in principio et nunc et semper und geht über in eine prächtige Fuge auf et in seacola seacolorum Amen.
Die vorliegende Interpretation wird diesem Magnificat gerecht mit seinen plastischen großen Linien und akzentuierter Dynamik und insbesondere gefällt hier die Ausgestaltung des Generalbasses mit Truhenorgel, Cembalo und Theorbe.
Beigesellt ist noch Telemanns hübsches Oratorium der Hamburgischen Kapitäns Musik von 1730 „Jauchze, jubilier und singe“ für Chor, Soli und Streicher. Melodische Arien, teils mit Solo-Cello wechseln mit beschwingten bis traurigen Chören, ein Meisterstück ist etwa der „Chor der traurigen Gemüter“ voller chromatischer Gänge.

Laut Wolf Hobohm gehört Telemanns spätes Weihnachtsoratorium von 1759 „Die Hirten bei der Krippe zu Bethlehem“ zu den schönsten des 18. Jahrhunderts. Damit hat dieser verdiente Telemann-Forscher, den wir zu kennen die Ehre hatten, durchaus Recht.
Wolf Hobohm, der 2020 verstarb, leitete lange Jahre das Telemann Zentrum in Magdeburg und gehörte mit Günter Fleischhauer und Willi Mertens zu den Mitbegründern der Telemann Festtage in den 1960er Jahren.
Als ich die Räume mit hohen Decken am alten Ort, in einem Altbau in der Langen Straße, das erste Mal betrat, nahe dem Dom und der heutigen Staatskanzlei, stand noch das alte Schild am Eingang vom Kulturbund der DDR.
Kurz vorher eskortierte mich geradezu ein Jeep der Roten Armee am ausgebrannten Opernhaus vorbei. Der Kultur-Towarisch war willkommen. Dem Andenken Wolf Hobohms, ein Bauernsohn aus der Magdeburger Börde, der hochgebildet war und intelligenten Witz hatte und dessen Schädel dem des alten Johann Sebastian Bach glich, möchte ich diesen Beitrag widmen. Wir sprachen oft ebenso über Johann Sebastian Bach und Händel, Svatoslav Richter, Igor Strawinkski, Dmitrii Schostakowitsch und Paul Hindemith, ja selbst über Richard Wagner und vieles andere mehr.

Kein geringerer wie Nikolaus Harnoncourt meinte mal in einer Generalprobe zu Telemanns Oratorium „Tag des Gerichts“, lesen Sie unbedingt den Programmhefttext dazu, dann verstehen Sie besser was sie hier spielen, der den geschrieben hat, kennt sich bestens aus. Der Text war von Wolf Hobohm.

Telemanns Weihnachtsoratorium ist vielmehr eine ausgedehnte Kantate in zwei Teilen, die gewissermaßen ein biblisches Arkadien beschreibt mit den höchst anmutigen Versen des Dichters Carl Wilhelm Ramler, genannt der deutsche Horaz. Heute ist der Dichter nur noch Spezialisten geläufig, so hat ihn Goethe mit bewundernden Versen bedacht. Ramlers Sprache ist aus der Zeit der Empfindsamkeit und ganz antikisch und klingt ein wenig wie Klopstock.
Telemann vertonte gleich drei geistliche Poesien Ramlers, die der in Berlin und Potsdam wirkende Dichter zuerst der Prinzessin Anna Amalia von Preußen gewidmet hatte, einer ebenfalls komponierenden Schwester von König Friedrich dem Großen. Ihr Kompositions-Lehrer war der Bach-Schüler Johann Philipp Kirnberger und die Prinzessin sammelte leidenschaftlich Partituren vor allem von Bach-Vater wie seinen Söhnen und wirkte als Mäzenin.
Eine Poesie jeweils zur Geburt, Passion und Auferstehung Jesu, die Telemann und weitere Komponisten, darunter Carl Heinrich Graun und Carl Philipp Emanuel Bach zu Vertonungen anregten. Zumindest der Eingangschor der Passionsmusik ist auch von der Prinzessin vertont worden. Telemann vertonte alle drei Libretti in Folge und vereinte diese zu einem Triptychon geistlicher Gesänge gleichsam.

Telemanns Hirten bei der Krippe zu Bethlehem ist glücklicherweise in der schönen Altershandschrift des Meisters überliefert und befindet sich heute in der Staatsbibliothek Berlin als Teil der bedeutenden Musikaliensammlung, die unter anderem Autographen der Bach-Familie, Mozarts und Mendelssohns vereint. Über den Sammler Georg Poelchau kam ein umfangreiches Konvolut an Handschriften vom Dachboden des Rigaer Doms, wo Telemanns Enkel Georg Michael Telemann als Kantor tätig war, endlich in das Mendelssohn-Archiv und die Bestände von Friedrich Zelters Berliner Singakademie bis alles in die Bestände der Staatsbibliothek überging.

Mit einer schlichten sechsstimmigen Hirtenweise für Streicher und Fagott beginnt Telemanns Vertonung, diese geht direkt in ein vom Alt gesungenes Accompagnato das über das Wunder von Jesu Geburt in blumigen Worten berichtet: „Hier liegt es O wie süß! Das holde Kind“, der Tenor spinnt es fort und singt vom goldenen Zeitalter. Ein Choral wird allerdings vorgeschoben auf die Melodie In dulci jubilo. Telemann ergänzte seine erste Version um Choräle, um das Werk auch im Gottesdienst aufführen zu können. Darauf singt der Bariton „Hirten aus den goldnen Zeiten, blast die Flöten, rührt die Saiten!“ in einer festlichen Arie mit Traversflöten, Trompeten und Pauken, mit mitreißendem Schwung. Telemanns Musik hat bereits das Gepräge der frühen Klassik.
Ein weiteres Accompagnato schließt sich an und besingt den erhofften Frieden von einer wiegenden Cello-Figur begleitet singt der Alt: „Der Löwe wiegt in seinen Klauen das kleine Lamm,…“, während der Bass dann von der Verwandlung der Schwerter in Pflugscharen kündet, gefolgt von einem Duett beider Stimmen zu Pizzicato und die Streicher kolorierenden Flauti dolci das direkt in einen kurzen kraftvollen Chor übergeht und mit Pauken und Trompeten mit einem wuchtigen Unisono (sei ein Chor) Akkord dem ersten Teil der Weihnachtskantate beschließt.

Zwei Choralstrophen eröffnen den zweiten Teil und ein Bass-Accompagnato kündet von der Hoffnung auf bessere Zeiten dank der Geburt des Jesusknaben:“ Die Pestillenz darf ferner nicht in Finsternissen schleichen, der heiße Mittag tötet nicht und sendet keine Seuchen…“, das bekräftigt der Tenor in einer Siziliano-Arie in moll, effektvoll treten zwei Hörner und zwei Traversflöten zu den Streichern. „Schönstes Kind aus Juda Samen, wachse bald, dass es bald ein Himmel werde, dieses weite Rund der Erde…,“singt er.
Nach einem Choral in h-moll endlich beschwören Alt und Bass in einem Accompagnato mit Ariosi abermals das Weihnachstwunder und zuletzt heißt es: „Stimmt an das Lied der Oberwelt! Damit es unser Held, der neugeborene Heiland höre“.
Der Schlusschor bekräftigt das mit dem bekannten Ehre sei Gott in der Höhe! Friede auf Erden und allen Menschen ein Wohlgefallen“ mit kraftvollen Akkorden und einer prachtvollen Fuge mit dem Jubel aller Instrumente.

Das Telemann Kammerorchester Michaelstein mit historischen Instrumenten zusammen mit dem Kammerchor Michaelstein sowie den Solisten Constanze Backes, Sopran, Mechthild Georg Alt, Andreas Post, Tenor und Klaus Mertens Bass, alle unter Leitung von Ludger Rémy nahmen das stiladäquat auf.

Angeschlossen sind zwei weitere späte Weihnachtskantaten Telemanns von 1761 und 1762, wobei jede mit ungewöhnlichen und teils sogar experimenteller Musik überzeugt. Die erste beginnt mit dem Gesang des Verküdigungs-Engels an die Hirten, das Schwirren der Engelsflügel wird mit Flöten und Streichern gemalt und plötzlich setzt der Sopran ein und ein leuchtendes Fortissimo mit Trompeten und Pauken und dem ganzen Orchester setzt gleißende Akzente und scheint fast schon einen Moment aus Haydns Schöpfung vorweg zu nehmen und zwar die Takte nach: Es werde Licht mit ihren Fortissimo C-Dur Donnern. Ebenfalls beeindrucken die Dissonanzen auf das Wort Friede in einem Chor. Man mag das als Darstellung der Kriegszeit deuten, denn um 1760 war der Siebenjährige Krieg in vollem Gange. Auch die zweite Kantate weist Besonderheiten auf. Es lohnt diese wenig bekannten Preziosen Telemanns kennenzulernen. Musik eines 80 jährigen Meisters, voller Glut eines jungen Mannes, aber mit der Reife des Alters, genial und fern jeglicher Demenz.

Zuletzt möchte ich noch auf ein paar Werke Carl Philipp Emanuel Bachs eingehen. Erst 2023 erschien eine reizvolle Aufnahme mit dem Magnificat das Bach Sohnes sowie einer Weihnachtskantate wie einem Chor zu einer Hamburger Festivität bei CPO mit der Kölner Akademie unter Michael Alexander Willens mit ausgesuchten Solisten. Zumindest das Magnificat des Bach-Sohnes wurde schon öfters eingespielt.

Bereits 1749 schrieb Carl Philipp Emanuel Bach seine Version des Magnificat in der weisen Voraussicht sich damit gegebenenfalls auf eine frei gewordene Kantoren -Stelle bewerben zu können. Der Komponist war seit 1740 Hof und Kammer-Cembalist Friedrichs des Großen und suchte nach neuen Aufgaben. Nach dem Tod seines Vaters Johann Sebastian Bach 1750 wurde die Stelle des Thomas-Kantors vakant. Natürlich witterte der Bach-Sohn eine Chance die Stelle zu übernehmen und hatte eben dieses Berliner Magnificat im Gepäck, um es in der Thomaskirche vorzustellen. Dennoch entschied man sich gegen den Bach-Sohn. Was uns heute wundert, an der Musik lag es bestimmt nicht. Womöglich galt der Vater Bach als Querulant und der Leipziger Stadtrat wollte nicht schon wieder einen Bach in diesem Amt. Letzlich muss dies Spekulation bleiben. Auf der CD ist eine spätere Hamburger Fassung des lateinischen Magnificat eingespielt, diese ist weitgehend identisch mit der Version von 1749 bis auf den Chor et misericordia euis“. Dieser ist hier gesondert eingespielt.
Das Magnificat des Bach Sohnes ist zugleich dessen erste größere geistliche Vokalkomposition und im Vergleich zu den großartigen Versionen seines Vaters und erst recht dem Frühwerk Telemanns zugleich die modernste Variante. Es setzt ein mit einem hymnischen schwungvollen in den Orchestersatz mit zu den Streichern tretenden Trompeten und Pauken wie Traversflöten eingeflochtenen Chorsatz, der nur noch weitläufig an die Chor Koloraturen des so barock kräuselnden Ma..a..a..gni ..ficat des Vaters erinnert.
Dagegen steckt beim Sohn schon frühklassisches Melos drin.

Darauf wechseln durchkomponierte Arien und Duette wie der besagte Chor ab. Im Melos ebenfalls im frühklassisch empfindsamen Stil gehalten. Ganz am Ende zeigt dann der Bach-Sohn aber noch mal woher er kommt mit einer mitreißenden und ausgedehnten Amen-Chor-Fuge. Alles in allem ist auch dies Magnificat ein Meisterwerk, kein Wunder das es Carl Philipp Emanuel in einem großen Benefizkonzert in seinem letzen Lebensjahr 1788 zusammen mit Auszügen aus Händels Messias und seines Vaters h-Moll Messe in einem Benefizkonzert aufführte.

Die Weihnachtskantate „Auf schicke dich“ entstand erst 1775 in Hamburg und geht teilweise auf eine Prediger-Einführungs-Musik von 1772 zurück. Seit Winter 1767 war der Bach-Sohn Nachfolger seines Paten-Onkels Telemann als Hamburger Musikdirektor.
Neben weihnachtlichen Chorälen überrascht hier vor allem, die im Text geschilderte fast pantheistische Betrachtung und Offenbarung Gottes in der Natur in entsprechenden musikalischen Bildern mit plakativen Pauken-Donner als Schilderung der aufgebrachten Elemente in Sturm und Gewitter. Das erinnert an Telemanns Donnerode.

(Siehe auf haute-culture-jdg.de unter dem Stichwort Donnerode)

Und die fließenden empfindsam getönten Arien reihen sich hier subtil Instrumentiert wie an einer Perlenschnur.

Anlässlich eines Festaktes zur Begrüßung des schwedischen Kronprinzen, dem späteren König Gustav III, in Hamburg 1770 entstand der prachtvolle Chor „Spiega Ammonia Fortunata“ mitsamt einem mit Flöten, Hörnern, Trompeten und Pauken bestückten Streichorchesters.
Binnen von 12 Stunden musste Carl Philipp Emanuel diesen Huldigungschor komponieren. Von der Eile ist dem Stück nichts anzumerken. Übrigens sollte König Gustav III. später selbst Musikgeschichte schreiben, denn er engagierte Josef Martin Kraus als Kapellmeister (Siehe darauf auf haute-culture-jdg.de unter Kraus)
Bekanntlich erlag der König den Folgen eines Attentats, dies wurde wiederum Stoff für Guiseppe Verdis Oper „Un Ballo di maschera“.

Die Gesangs-Solisten Elvira Bill Sopran und Hanna Herfurtner Alt, Georg Poplutz Tenor sowie Matthias Vieweg und Markus Volpert Bass sorgen zusammen mit Chor und Orchester der Kölner Akademie unter dem Dirigat von Michael Alexander Willens für eine ausgesprochen lebendige Darbietung mit straffen, aber nicht überzogenen Tempi dieser Vokal-Preziosen des Bach Sohnes. Alles fließt kraftvoll und präzise, wird bis ins Detail gestaltet.

Friedrich Gottlieb Klopstocks Worte für ein Epitaph des Hamburger Bach werden bestätigt. Es heißt hier treffend:“ Carl Philipp Emanuel Bach, der tiefsinnige Harmonist, vereinte die Neuheit mit der Schönheit, war groß in der vom Worte geleiteten Musik, noch größer in der kühnen sprachlosen Musik“.

Feiern sie also gerne einmal musikalisch mit zwei großen Komponisten des Zeitalters der Aufklärung Weihnachten! Es lohnt sich. Es muss nicht immer Johann Sebastian Bach sein!

Jean B. de Grammont