Konstanzer Musik-Festival Orchesterkonzert

Bahnbrechendes aus Romantik. Moderne und Gegenwart

Im Festsaal des Insel Hotels, der ehemaligen Kloster Kirche der Dominikaner mit ihren wuchtigen Pfeilern samt Würfel-Kapitellen der Spätromanik, findet seit einigen Jahren das Konstanzer Musik Festival statt, das Klassik, Jazz und Crossover zu verbinden sucht. Das ist eine schöne Idee, hier im Juli den herrlichen Ort der einstigen Kloster-Insel und im heutigen Steigenberger Hotel  kulturell zu beleben. Künstlerischer Leiter, Gründer und selbst auch Jazzpianist ist Peter Vogel.
Es gibt eine ganze Reihe an Orchester- und Kammerkonzerten.
Wir besuchten das Orchester-Konzert der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz unter Leitung von Gastdirigent Claudio Novati, das bahnbrechende Werke aus Romantik und Moderne vereinte, hinzu trat eine Komposition der Gegenwart.
Zuerst stand Dimitri Schostakowitsch großes Cello Konzert Nummer 1 in Es-Dur Opus 107 auf dem Programm. Ein wahrhaft bahnbrechendes Werk, Ein Meilenstein der Cello-Literatur der Moderne.
Gewidmet hat es der Komponist dem berühmten Cellisten und Freund Rostropowitsch. Komponist und Cellist tranken vor der Probe einen Wodka zusammen, somit lief das Spiel leichter. Komponiert wurde das bahnbrechende Konzert 1959 nach Stalins Tod, in der so genannten Tauwetterperiode der Sowjetunion. Schostakowitsch hatte jetzt keine Anfeindungen mehr zu befürchten.
In Konstanz übernahm Alexey Stadler den anspruchsvollen Cello-Part. Eine aufgewühlte rhythmische Musik ist schon der
Eröffnungs- Satz, die schwierige Cello Partie meisterte Stadler hervorragend bis in die höchsten Lagen hinein mit zahlreichen virtuosen Griffen, immer singend und zupackend. Darauf setzt eine elegische Klage ein, wunderbar melancholisch führte Stadler seine Gesänge aus, akkurat begleitet von der Philharmonie Konstanz. Ehe dann ausgerechnet im sehr sportiven Finale ein Volkslied auftaucht, das zu den Lieblingsliedern Stalins gehörte, gewissermaßen eine kleine parodistische Spitze des Komponisten auf den Diktator post mortem.
Auch dieses Finale überzeugte vollkommen.
Nach so viel avantgardistischer Glut gab es Frédéric Bollis KlaVierHändeKonzert für Flügel zu vier Händen und kleines Orchester. Der Schweizer Komponist Bolli lebt in Konstanz. Es war ursprünglich eine Auftragskomposition. In einer revidierten Fassung erklang in Konstanz praktisch eine Uraufführung des Werks.
Herbert Schuch und Gülru Ensari meisterten den Solopart zu vier Händen am Klavier. Recht heiter und beschwingt ist der erste Satz mit der Überschrift Capriccio gehalten.
Es tändelt munter dahin. Kapriziöse Dialoge auf den Tasten zusammen mit dem Orchester, das mit zahlreichen Holzbläser Soli aufwartet ließen ein vielfältiges Klangfarben-Spiel aufkommen.
Der langsame Satz ist mit Elegie für Elke überschrieben, eIne früh verstorbene Frau der diese Trauer Musik gewidmet ist. Sie steht in der Tradition der Tombeaux Musiken der französischen Cembalisten des 17. und 18. Jahrhunderts im weitesten Sinne. Aber Elke, so schreibt der Komponist war eine heitere Person und sehr quirlig, entsprechend gibt es auch ein paar muntere Passagen darin. Ein schönes Oboen-Solo klagt zum Streicherteppich und melancholische Akkorde des Klaviers von dem Paar an den Tasten feinsinnig eingeflochten, ergeben eine stille Trauer Musik, die sich zum Ende hin aufheitert und muntere Sprünge zum besten gibt. Das Finale überrascht mit der Finesse eines Kanons. Es hat etwas von der Palimpsest Technik der früheren Kloster Schreibwerkstätten. So der Komponist. Auch hier wird der Kanon eingebaut, so dass sich ein farbiges rankendes Spiel und Finale entfaltet. Ein wirklich bemerkenswerter Beitrag der Klavierkonzert- Literatur der Gegenwart.
Eines der schönsten Violinkonzerte der Romantik erklang zum Abschluss. Peter Tschaikowski komponierte es nach einer Krise am Genfersee und widmete es seinen Freund und Geliebten dem Geiger Kotik. In Konstanz übernahm den Solopart Jona Christina Goicea mit viel Liebe wie Hingabe und ausgesprochenem Temperament und Schönklang glitzerten ihre Violin Skalen schon im ersten Allegro Moderato. Eine heitere Musik schrieb hier Tschaikowsky, die ein wenig an Mozart anklingt, das wird quasi in die russische Romantik übersetzt. Das Orchester hat einige wuchtige Akkorde, die sehr festlich klingen aufzubieten. Zwischendrin rankt und glitzert und funkelt aber die Solovioline in den höchsten Lagen und ganz brillanten  Läufen. Danach folgt eine wunderschöne verhaltene Idylle, sie strömt in der Cazonetta Andante aus. Hier sehr innig gespielt und tief die Herzen des Publikums berührend.
Endlich das Funken sprühende Finale, das von der Solistin und dem Orchester hinreißend gegeben wurde. Großer Applaus für ein ausgefallenes Konzert mit spannenden Stücken.
Jean B. de Grammont

Fotocredit Reinhard Müller