Fotocredit Festspielhaus BB
Jean B. de Grammont
Eine Weihnachtsvesper wie sie im Markus Dom zu Venedig in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts
geklungen haben könnte brachte Andrea Marcon zusammen mit dem La Cetra Barockorchester & Vokalensemble ins Festspielhaus Baden-Baden.
Venedig im Seicento, das war vokale und instrumentale Klangpracht und Finesse vom Besten. Die Serenissima war emsig darin, ihren Reichtum dank florierender Handelsgeschäfte und einer militärisch überlegenen Flotte nicht nur in prachtvollen Palazzi und großen Kirchenbauten zur Schau zu stellen, sondern eine wichtige Rolle spielte in der Metropole der Malerei eines Carpaccio, Veronese und Tizian und der Kurtisanen, deren eine-nämlich Barbara Strozzi -selbst Komponistin und Dichterin war-insbesondere und gerade die Musik. Die ersten Opernhäuser überhaupt gab es in Venedig.
An San Marco wirkten Kapellmeister wie Giovanni Gabrieli, den sogar der junge Heinrich Schütz aufsuchte, um bei ihm zu lernen, und später dann der überragende Claudio Monteverdi. Die besten Vokalisten und Instrumentalisten der Zeit fanden unter den von goldglänzenden Mosaiken erstrahlenden Kuppel von San Marco ihren Weiheort der Musik auf den Emporen unter der großen Hauptkuppel war Gelegenheit zum mehrchörigen Musizieren.
Das ist heutigen Tags eher etwas für Kenner. Entsprechend mittelprächtig besucht war dieses außergewöhnliche Konzert leider. Aber zugegeben ich fühlte mich angesprochen. Denn alle Programme, die nicht dem Mainstream folgen, ziehe ich einfach vor.
Mit Claudio Monteverdis Psalm Domine ad adiuvandum begann das Konzert.
Monteverdi baut in den klangmächtigen Chorsatz die sogenannte Gonzaga Fanfare ein, mit dieser jubelnden Fanfare wurde das Fürstenhaus Gonzaga bei seinem Kommen und Auftreten angekündigt. Monteverdi eröffnete damit auch seine Favola in musica L‘Orfeo. Das 24köpfige Vokalensemble gab mit feinabgestuften Gesangslininien, ob im vollen Forte-Tutti oder in ausbalancierten Soli sein Bestes. Unter den präzisen Taktangaben von Andrea Marcon traten die Intrumentalisten hinzu und verstärkten wie grundierten diese Klangskulptur aus dem venezianischen Frühbarock. Mit Barock-Violinen und Violen, Violoncello und Violone und Theorbe und einer farbenreich tönenden großen Truhenorgel. Als Glanzlichter dieses Consorts fungierten Zinken und Barockposaunen. Ein Orgelstück Gabrielis changierte in schwebenden Akkorden dank Johannes Kellers Tastenkunst.
Aus Monteverdis Sammlung an geistlicher Vokalmusik den Selva morale e spirituale erklang darauf der Psalm Dixit Dominus mit Kraft und ausgefeilt bis ins Detail.
Ein Kammerduett Alessandro Grandis, nämlich die Weihnachts-Motette O Felix, o lucidissima nox schloss sich in zarten Linien über dem Basso-Continuo an. Gefolgt wiederum von einem Orgelsatz Gabrielis. Und so ging es fort. Höhepunkte dabei die weiträumigen oder eher kammermusikalischen Vertonungen der Psalmen 110 und 3 wie 112 und 110 durch Claudio Monteverdi, aus der Sammlung Selva morale e spirituale. Eingeflochten wurden weitere Orgelstücke Gabrielis und eine extravagante Sonata a 8 mit Zinken, Posaunen und Violinen im Wettstreit von Franceso Usper. Weihnachtliche Motetten von Alessandro Grandi und Giovanni Valentini rundeten diese musikalische Vesper ab. Bevor dann Monteverdis glanzvolles Magnificat mit seiner rhetorischen Textausrichtung und die Motette Cantate Domino die Schlussakzente setzten. Fehlten zwar in Baden-Baden die goldglänzenden Mosaiken und Kuppeln von San Marco, so waren bei geschlossenen Augen Lagune und Canal Grande zugegen und das frühe italienische 17. Jahrhundert in seinen besten musikalischen Leistungen gegenwärtig dank Andrea Marcon und La Cetra vokal wie Instrumental.
Jean B. de Grammont