Garten des Reichlin Meldegg Patrizierhauses Städtisches Museum Überlingen


Ein besonderes schöner Ort in der früheren Reichsstadt Überlingen am Bodensee ist der hochgelegene Garten des einstigen Patrizierhauses Reichlin von Meldegg.
Heute befindet sich darin das Städtische Museum und zu den Öffnungszeiten desselben ist jederzeit der Zugang möglich. Das ist der zweite Garten, den wir auf unserer Seite vorstellen möchten.

Gewiss ist die Architektur des Patrizierhauses mit seiner Rustika-Fassade nach dem Vorbild der florentinischen Renaissance weit bedeutender und interessanter als dieser kleine Garten. Es ist das erste Bauwerk nördlich der Alpen im neuen italienischen Renaissance-Stil. Dennoch ist gerade der Garten ein besonderer Ort.

Das Gebäude wurde zuerst unter Andreas Reichlin von Meldegg, einem Apotheker und kaiserlichen Leibarzt, zudem Patrizier in Überlingen nach 1460 gebaut samt Kapelle. Vielleicht wurde damals bereits ein kleiner terrassierter Garten nach der Art hängender Gärten angelegt. Womöglich ebenfalls in der Weise eines florentinischen Landsitzes der Renaissance, nur en miniature.

Vergleichbar wäre in der Umgebung der hängende Garten aus dem 16. Jahrhundert von Schloss Neufra bei Riedlingen an der Donau. Hier legte sich der Eigentümer, ein Graf von Helfenstein tatsächlich einen kleinen Renaissance-Garten für sein Retiro an. Genaues ist allerdings zu der frühen Zeit des Gartens des Überlinger Patrizierhauses nicht überliefert. Womöglich war es überwiegend ein reiner Nutzgarten. Vor allem die untere Terrasse dürfte für Wein, Obst- und Gemüse-Anbau genutzt worden sein. Ein weiterer Gebäudeflügel schloss bis um 1700 etwa die Gartenseite ab.

Bis ins späte 17.Jahrhundert blieb die Familie Reichlin von Meldegg Eigentümer des Palais. Hernach übernahmen andere Familien des niederen Adels das Haus. Zuletzt war es um 1700 die Familie von Buol. Diese legte nachweislich einen barocken Ziergarten an. Dazu wurden zwei Pavillons mit Zwiebelhauben errichtet.
Einer davon steht noch heute. Die von Buols erweiterten das Anwesen und bauten einen barocken Festsaal über zwei Etagen ein und ließen schöne Wessobrunner Stuckarbeiten an den Decken dieses Saales und verschiedener Salons ausführen.
Womöglich gab es damals barocke Zierbeete in geometrischen Mustern. Es muss ein heiterer Locus Amoenus gewesen sein.
Nach 1800 verschwand die Pracht und das Haus wurde als Brauerei missbraucht und arg heruntergewirtschaftet; erst als Ende des 19. Jahrhunderts das heutige Museum gegründet wurde, besann man sich wieder auf den Garten. Da stehen dann auch verschiedene Statuen und Brunnenfiguren aus alter Geschichte. Die schönen großen schattenden Kastanien wurden allerdings schon in der Zeit der Brauerei gepflanzt, es sind Relikte des Biergartens. Und zuletzt wurden dann Wiesenflächen und Kieswege angelegt. Das alte Haus wieder herzurichten und als Museum einzurichten bedurfte damals großer Mühen.
Aber der Garten ist wirklich zauberhaft!
Besonders schön ist der Blick über die Dächer der Altstadt, auf das Münster mit seinem markanten Turm, auf den See und das waldreiche gegenüber liegende Ufer des Bodanrücks.
An heiteren Nachmittagen scheint hier die Zeit still zu stehen und es ist möglich in der Betrachtung vergangener Zeiten zu versinken, Musik zu hören oder zu lesen.
Die alte freie Reichstadt liegt einem zu Füßen und der Blick schweift bis zu den fernen Gipfeln der Alpen bei klarer Sicht oder Föhn.
Ab und zu klingt der Stundenschlag der Münster-Uhr herüber.
Einmal inspirierierte mich der kleine Garten des Patrizierhauses zu folgendem Gedicht:

Oktober im Reichlin-Meldegg Garten

Schattender Kastanien welkes Laub
Entperlt am milden Oktober Tag,
Wird dem Wind so leichter Raub,
Vom Münster tönt Stunden-Schlag,

Von hoher Terrasse, vom alten Garten
Schweift weit der Blick auf See und Gelände,
Vor dem gequaderten Patrizierhause warten
Statuen, wettergrau mahnen ihre Hände-

Und steile Giebeldächer überragt dunkelrot,
Des Sees Spiegel Kristallen und Silberblau,
Gelbrotes Laub von fernen Bergen loht,
Leicht weht der Wind, die Luft strömt lau.

Vom Verkehr und anderen Geräuschen bekommt man an diesem idyllischen grünen Platz kaum etwas mit. Schützend umfrieden den kleinen Garten die Gebäude des stattlichen Patrizierhauses. Also lasse man seine Seele baumeln und die Gedanken schweifen beim Blick auf Dächer, Giebel und See wie Wälder und ferne Alpen und womöglich wird einem ganz poetisch zu Mute.
Jean B. de Grammont