n den goldenen späten Septembertagen im Jahr 2021 am letzten Wochenende fanden endlich wieder die Brahms-Tage zu Baden-Baden statt. Der Herbst ist ohnehin eine Jahreszeit, die der mondänen indes zum Welterbe aufgerückten traditionsreichen Kurstadt gut zu Gesicht steht. Und in Sachen Musikgeschichte ist der Ort ohnehin mehrfach geadelt. Denn nicht nur der Geburtsadel des 19. Jahrhunderts feierte hier das Dasein und wurde inspiriert. Es waren vor allem bedeutende Komponisten, die hier länger weilten. So u.a. Carl Maria von Weber, Hector Berlioz, Franz Liszt. Natürlich Clara Schumann, die hier ein Haus erwarb, und nicht zuletzt ihr Freund Johannes Brahms, der im Ortsteil Lichtental über 10 Jahre jeden Sommer ein paar Zimmer mietete. Das Haus steht heute noch und ein kleines Museum nebst Gästewohnung für Musiker und Forscher lohnt den Besuch.
Alles kreist um Brahms an diesen Tagen und mit heimischen Kräften wie Gastensembles wird ein abwechslungsreiches Programm geboten von großen Orchesterkonzerten bis hin zur Kammermusik. Wie sagte einmal der mittlerweile verstorbene Professor Hanns Dieter Wohlfahrt, der lange an der Musikhochschule Freiburg i.Br. Musikgeschichte lehrte: „Wenn die Blätter leuchtend fallen und es wird wieder früher dunkel und kühl des Abends, so sitzen wir gerne am flackernden Kamin und lauschen der Musik von Johannes Brahms“. Das geht in Baden-Baden gut, zumal manche der Villen und Hotels nach wie vor über funktionstüchtige Kamine verfügen. Aber im großen Benazet-Saal in Weinbrenners Konversationshaus wurde wenigstens musikalisch eingeheizt. Der neue Chefdirigent der Philharmonie Baden-Baden Heiko Mathias Förster stellte Brahms „Tragische Ouvertüre“ an den Beginn. Die Philharmonie gab diese wuchtig, kompakt und mit gewichtigem Pathos, wobei aber ebenso die feinen Linien im Fugato herausgearbeitet wurden.
Wie erfreut nicht immer wieder Mendelssohns Violinkonzert. Die Solistin Clémence de Forceville gab den Solo-Partien eine erfrischende Süße und delikate Virtuosität. Und da der Rhein nicht allzu weit von Baden-Baden fließt, diente Schumanns dritte Sinfonie, genannt „die Rheinische“ als ein passendes Finale zum Eröffnungskonzert. Die flutende Bewegung des ersten Satzes, das feierliche der Prozession des Bischofs im Kölner Dom im langsamen Satz und das Finale mit viel Verve genommen, überzeugten.
Ein Konzerterlebnis der besonderen Art wurde dann im Festspielhaus mit dem Ausnahme-Pianisten Igor Levit, den Münchner Philharmonikern unter Leitung von Valery Gergiev, zelebriert. Brahms erstes großes Klavierkonzert wurde in seiner ausgesprochen sinfonischen Grandeur verdeutlicht. Eingeflochten waren die funkelnden Klangkaskaden am Piano. Welch ein elegischer Herbstgesang war im langsamen Satz zu vernehmen und das Finale mit seiner Verve und prächtiger Virtuosität des Pianisten überwältigte. Die gewichtige Bruckner Sinfonie Nr. 6 hernach war dagegen nicht weniger beeindruckend, doch fehlte es am Glanz des Virtuosentums.
Endlich beglückte Kammermusik am Sonntagmorgen im wohl schönsten Konzertsaal weit und breit, dem Weinbrenner-Saal des Kurhauses. Das Trio um den Hornisten Felix Klieser gab Trios für Klavier Horn und Geige von Brahms, Koechlin und Duvernay zum Besten. Zudem Sonaten von Schumann und Brahms. Für Violine und Klavier wie für Horn und Piano. Besonders schön war es der Waldhorn-Romantik in Brahms Meisterwerk zu lauschen. Das triste langsame Mesto ist zugleich ein Trauergesang auf den Tod von Brahms Mutter. Und der Beginn fiel dem Komponisten auf einem Morgenspaziergang auf den Höhen um Lichtental ein.
Abends ging es wieder ins Festspielhaus zu Brahms und Beethoven mit den Würth Philharmonikern unter Claudio Vandelli. Diesmal stand das Doppelkonzert für Violine und Violoncello voran. Die Solisten Veronika Eberle Geige und Alban Gerhardt Cello setzten ihre Dialoge mit warmem Klangschmelz gekonnt um. Das Cantabile des langsamen Satzes beglückte wie das mit ungarischer Folklore getränkte Finale. Da Beethoven letztes Jahr durch die Pandemie Umstände zu kurz kam, wurde er nun besonders gefeiert mit dem fünften Klavierkonzert. Hinreißend das Ganze, dieser erste Satz mit seinen Anklängen an Militärmusik und der glöckchenhaften Süße des Seitengedankens. Lars Vogt brachte Beethovens Bravour in den Klavierpart. Hymnische Gesänge verzauberten im Adagio un poco mosso und im Rondo wollte man fast das Tanzbein schwingen. Endlich gab es als Zugabe das komplette Finale von Beethovens Tripelkonzert. Nochmals konnten die drei Solisten brillieren und leuchtendes Herbstlaub in Tönen rauschen lassen. Brahms und Beethoven in Baden-Baden, das ist ein Fest.
Jean B. de Grammont