Schubert Hologramm Ballett

Vielleicht hätte sich Franz Schubert sehr verwundert darüber, dass man sein so schlicht inniges Streichquartett über ein erhabenes Gedicht von Matthias Claudius: Der Tod und das Mädchen nämlich , groß paraphrasieren würde unter Hinzufügung einer zeitgenössischen Komposition für Tonband zugleich in einer Auslegung für Ballett und das alles ergänzt mit modernen lichttechnischen Elementen und zugleich aufgeführt in Baden-Baden und in einem altehrwürdigen Theater in Prag. Vielleicht hätte er das als Humbug bezeichnet? Als eine überhitzte romantische Idee oder Fantasie abgetan.Wir wissen es nicht. Allerdings ist dabei keine Schubertiade herausgekommen im Sinne einer Hanswurstiade, sondern durchaus ein geglücktes Experiment eines Dreiklangs dreier verschiedener Kunstgattungen, nämlich der Musik, des Balletts und des Lichtspiels. Diese Melange fand seine fröhliche Uraufführung zeitgleich im Festspielhaus zu Baden-Baden am 01.12.2023 sowie mit dem Tschechischen Nationalballett im Tschechischen Nationaltheater zu Prag.

Etwas verstärkt wurde die intime Streicherbesetzung des Quartetts durch die Kammerorchesterfassung.

Hier dargeboten vom Stuttgarter Kammerorchester in einem Gastspiel geleitet von Thomas Zehetmeier.

Sven Helbigs Prolog und Interludien zu Schuberts Streichquartett Nummer 14  gab es dazu als Uraufführung in einer Tonband Soundcollage, die Choreographie der Ballett-Nummern hatte Mauro Bigonzetti inne und die Live-Elektronik selbst trug Helbig der Komponist am Keyboard und Mischpult bei.

Das Besondere war, dass die Ballett-Szenen live per moderner Bildübertragung direkt in das Dunkel der Bühne des Festspielhauses Baden-Baden übertragen wurden, während die hier live gespielte Musik live in das Tschechische Nationaltheater übertragen wurde. Dazwischen gab es eben die modernen Sounds und die Lichttechnik, die wiederum hier live war und dorthin live übertragen wurde. Das heißt, es gab eine Verbindung beider Spielorte über technische Möglichkeiten zur gleichen Zeit. Interessanterweise gab es am Ende der Aufführung  eine Einblendung der Bilder des jubelnden Publikums zu unserem Publikum in Baden-Baden. Zujubeln konnte man einander, eine durchaus bemerkenswerte Idee wie man mit Hilfe moderner Technik Brücken schlagen kann. Auch der Sound des Streichquartetts von Schubert war allerdings elektronisch aufgeladen, das heißt man verstärkte den ohnehin schon verstärkten Streicher-Klang des Kammerorchesters, dies mag bei Puristen etwas für Befremden gesorgt haben. Allerdings passte das denn in das Gesamtkonzept gut hinein. Dieser Klang moderner Welten zu einem schlichten Gedicht des 18. Jahrhunderts und einer fein strukturierten romantischen Streichquartett-Komposition ergab in jedem Fall ein kontrastreiches Gesamtprogramm, das auf seine Art überzeugte und für eine Stunde durchaus fesselnder Ballett Tanzszenen gemischt mit einer gut gespielten Interpretation der Schubertschen überhöhten Metamorphose also aufgeladenen Komposition ergab. Thomas Zehetmeier feuerte das Kammerorchester durchaus zu beweglichen und gesanglichen Linien an, insbesondere in dem langsamen Satz mit den Variationen über das Lied Schuberts der Tod und das Mädchen nach Claudius Gedicht. Der Ballettmeister sorgte für sehr viele bewegte Szenen und in kleinen Tanzgruppierungen oder diversen pas de deux, die immer den Sätzen gemäß waren, für Abwechslung. Dazwischen wummerte die moderne Live-Elektronik des Komponisten Helbig und gab ihre Töne dazu und über allem zeigte sich ein elektronisch leuchtender Himmel in schönsten Farben ob in blau changierenden oder  rot leuchtenden Linien, die immer wechselten. So dass sich ein neuer Dreiklang ergab. Etwas roch das ganze nach Science-Fiction. Oder war es Surrealismus a la Max Ernst in beweglichen Bildern? Das  überzeugte doch insgesamt und führte vielleicht zu einem neo-romantischen Schubert, wie er  eben noch nicht bislang dagewesen war.

Jean B.de Grammont

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