Jules Massenets Werther

Im Festspielhaus Baden-Baden wurde während der Herbstfesttage la grande Gare dieses Jahr Jules Massenets große dramatische Oper Werther nach dem Vorbild von Goethes weltberühmten Roman ausgegraben. In Kooperation mit der Opera National de Paris.

Jules Massenet war ein sympathischer Komponist der französischen Spätromantik, der nach wie vor zu entdecken ist vor allen Dingen in Deutschland.

Ein Mann mit viel Geschmack und Kultur, der das Glück hatte in seinem späten Jahren in einem Chateau leben zu können.

Massenets Chateau Egreville kann heute besucht werden und  Musik-Enthusiasten dürfen in den Räumen des Meisters schwelgen und sich ihren nostalgischen Gedanken hingeben.

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Werther ist gleichsam ein Buch der Bücher in der Literaturgeschichte.  Die Historia von der tragischen Liebe eines Mannes zu einer verheirateten Frau, die mit dem Suizid des Mannes endet. Das sorgte im 18. Jahrhundert für Wellen der Empörung und für eine Mode, alle kleideten sich nach Werthers Facon,  zugleich für einen großen literarischen Erfolg des jungen Johann Wolfgang Goethe. Ein Stoff wie geschaffen für eine dramatische Oper. Die Inszenierung von Robert Carson  nahm das Thema Bücher sehr ernst und das Einheitsbühnenbild Radu Borezescus zeigte nichts anderes wie eine riesige moderne Universitätsbibliothek von innen. Hier war man im romanistisch germanistischen Institut dabei die Goethe Rezeption zu pflegen und natürlich zu singen und zu agieren. Und das in der Kleidung unserer Zeit. Bücherwände und moderne Clubsessel und ein paar Tische und Bänke, das war Werther in nüchterner moderner Form. Genauso nüchtern und modern wie der Allzweckraum des Festspielhauses. Dabei loderten aber musikalisch und vom Sänger-Ensemble wie vom  Orchester her die Gefühle umso mehr. Dirigent Thomas Hengelbrock setzte akkurate Zeichen und fachte das Geschehen an.

Zuletzt regnete es Buchseiten und nach einer Zwischenakt-Musik wurden alle Bücher hinter geschlossenen Vorhang auf einen großen Haufen geschmissen und die Regale waren leer.

Auf diesen Bücherstapel-Trümmern ereigneten sich nun die exzessiven letzen Szenen des sterbenden Werther und seiner Geliebten.

Schon die Ouvertüre zeigt sich düster und nimmt das dramatische Geschehen vorweg. Mit einem Motiv des Schicksals in Dissonanzen, das leitmotivisch wiederkehrt. Massenet hat von Richard Wagner gelernt, ist aber zum Glück nicht so teutonisch wie dieser, sondern viel eleganter und subtiler, ein Franzose im besten Sinne eben. Überhaupt ist Massenet ein Meister der Instrumentierung und der Klangfarben, hier zeigte sich eine große Raffinesse der Partitur.

Mit Jonathan Tetelmann in der Partie des Werther war die Rolle bestens besetzt. Ein Tenor der immer glanzvoll mit Kraft und klarer Linie in die Höhe geht. Ihm zur Seite als Charlotte Kate Lindsey mit ebenso ausdrucksvoller samtiger Stimme. Als Sophie Elsa Benoit mit ihrem klaren Sopran. Charlottes Gemahl Albert Nicolai Zimilianskikh mit sonorem Bass. Der Amtmann mit Scott Wilde glücklich besetzt ebenso wie Schmidt und Johann mit Krezenmir Spicer und William Dazely. Hinzu trat ein Kinderchor und ein Chor der Studenten und Studentinnen gesungen vom cantus Juvenum Karlsruhe.

Es lohnte dieser Werther von Massenet in jedem Fall mit seinen großangelegten Szenen und schönen Motiven wie Melodien die meist durchkomponiert waren. Eine Oper, die Lust macht auf mehr Massenet.

Jean B. de Grammont