Sergej Rachmaninow, der große russische Weltbürger, wurde zuletzt auch in Baden-Baden gebührend gefeiert.
Weilte der Komponist doch zur Kur in der Klinik Dengler eine Zeit lang. Und so wäre doch dieses Jahr sein 150 Geburtstag gewesen.
Anlass genug, diesen bedeutenden Komponisten und Klavier-Virtuosen eine Spur mehr zu feiern, als es sonst gemeinhin üblich ist.
Das Festspielhaus Baden-Baden widmete ihm ein ganzes Wochenende. Und genau das Orchester, welches seinerzeit in den Vereinigten Staaten von Amerika viele Werke uraufführte, gastierte erstmals an der Oos, nämlich The Philadelphia Orchestra unter Leitung von Yannick Nezet-Seguin, dem Chef-Dirigenten der Metropolitan Opera New York. Letzterer ist in Baden-Baden kein Unbekannter mehr. Der Klangkörper aus Philadelphia allerdings feierte hier sein Debüt.
Sogar eine Urenkelin Sergej Rachmaninows war extra mit ihrer Familie angereist, um allen Konzerten bei -wohnen zu können. In ihrem Haus in Costa Rica steht bis heute der Schreibtisch Rachmaninows und ein Flügel.
Fotocredit: Todd Rosenberg, Festspielhaus
Bekanntlich musste Sergej Rachmaninow nach der Revolution Russland verlassen. Da seine Familie zum alteingesessenen Adel und zu den Großgrundbesitzern des Zarenreiches zählte. Dieses Schicksal teilte der Komponist mit den Schriftstellern Iwan Bunin und Vladimir Nabokov und mit seinem Kollegen Igor Strawinsky wie vielen Anderen. Traure Russland, freue Dich Schweiz, wo Rachmaninow am Vierwaldstätter-See ein Haus erwarb und freue Dich Amerika, dessen Staatsbürger Rachmaninow endlich wurde.
Aber zum Glück ist die Musik eine alle Völker verständigende wunderbare Kunst, die alle Staatlichkeiten und Nationalismen kleinlich erscheinen lässt.
Allerdings fehlte Rachmaninow seine Heimat als IInspirationsquelle. Nach eigenem Bekunden sank seine Freude am Komponieren dadurch erheblich.
Leider war uns nur möglich das letzte der drei Konzerte zu besuchen. Dennoch ein besonderes Konzert, wenn auch ohne Klavier, da es beide späte Orchesterwerke Rachmaninows vereinte.
Das waren zum einen die Sinfonischen Tänze, die Rachmaninow im Sommer 1940 auf Long Island komponierte. Sein letztes Orchesterwerk. Es scheint, als ob der Komponist darin noch einmal Rückschau halten möchte auf sein bisheriges Werk. Zitate aus seiner ersten Sinfonie finden sich darin und auch aus seiner russisch-orthodoxen Nacht-Vigilie, und zuletzt das "Dies Irea" Motiv aus der lateinischen Totenmesse.
Es ist in jedem Fall ein Meisterwerk, das insbesondere Rachmaninows Kunst der Instrumentation beispielhaft vor Ohren führt. Die Tanzsätze fließen ineinander über. Ursprünglich dachte der Komponist gar an eine Realisierung für Ballett. Der Orchesterapparat ist riesig. Es gibt sogar eine Partie für Saxophon. Yannick Nezet-Seguin pflegt einen ausgesprochen dynamischen Dirigierstil mit geradezu akrobatischen Bewegungen, die sehr feinfühlig den Verlauf der Musik akzentuieren.
Entsprechend temperamentvoll und zugleich feinsinnig setzte The Philadelphia Orchestra Rachmaninows Tänze um. Markant und kraftvoll ging es los im Non Allegro mit straffen Rhythmen, die hernach in duftige Bläserfarben übergingen. Im Andante con moto schwelgerische Streicher und Harfen Akkorde, gesteigert in einem energischen Fugato in der Opulenz hellen Blechs mündent, bevor es dann ins Tempo di Valse überging.
Das ist freilich kein klassischer Wiener Walzer. Aber ein sehr farbenfroher und beschwingt tänzerischer Tanz mit Pizzikati-Tupfern und mit Solo-Bläsern, Englischhorn und Saxophon und sordinierten Trompeten. Mit größter Wucht setze endlich das Lento assai ein und ausgesprochen lebhaft klang das Allegro vivace aus. Deutlich waren darin, die eingebauten Dies irae Motive zu hören.
Als ein Komponist zwischen Romantik und Moderne zeigt sich Rachmaninow auch in seiner letzten dritten Sinfonie in Weggis am Vierwaldstätter-See 1935 komponiert. Wie bekundete der Komponist selbst über seine Musik: "Meine Musik ist kaum revolutionär, deswegen nehme ich an, muss man sie als evolutionär bezeichnen."
Das Orchester ist wieder riesig besetzt und folgt damit dem Hang zur Gigantomanie der Zeit.
Im Kopfsatz knüpft Rachmaninow dabei motivisch an seine zweite Sinfonie an. Im lyrischen langsamen Satz entfaltet sich zunächst ein fantastischer Dialog zwischen Soloposaune und erster Violine zu Beginn, eine Art Scherzo inmitten sorgt für lebhafte Akzente. Im furiosen Finale endlich ist sogar ein Bolero eingebaut.
Das alles setzte the Philadelphia Orchestra unter dem Dirigat von Yannick Nezet-Seguin mit Feuer und Ekstase um. Rachmaninow at it's best.
Rachmaninow auf Weltklasse-Niveau wurde vergangenenes November-Wochenende in Baden-Baden geboten.
Jean B. de Grammont