Es muss nicht immer Bachs Weihnachtsoratorium sein.
Als eine Alternative liegt seit kurzem ein aus mehreren Weihnachtskantaten zusammen gestelltes Oratorien- Pasticcio von Telemann vor. In dieser Form ist das Werk zu Telemanns Lebzeiten nie erklungen. Sondern der mit Telemann sehr erfahrene Dirigent Hermann Max hat selbst aus fünf Kantaten ein kleines Oratorium geformt. Beim um Ausgrabungen, nicht nur um Telemann, verdienten Label CPO ist die Aufnahme erschienen. Selbst bei Telemann gibt es genug Weihnachts-Alternativen, zum Beispiel das wundervolle späte als solches konzipierte Oratorium "Die Hirten bei der Krippe zu Bethlehem", was aber den Wert der Aufnahme keinesfalls schmälert.
Da begegnen zwei späte Kantaten auf den ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag von 1755 und 1757 drei Kirchenstücken aus Telemanns Frankfurter Zeit bis 1720. Hier schon der vorklassisch empfindsame Spätstil des Meisters mit sehr ausdrucksvollen Rezitativen, kurzen prägnanten Chören und Chorälen und sensibel melodischen Arien. Dort der späte Stil des Hoch-Barock Telemanns mit größer angelegten Chorsätzen und ausgefeilter Kontrapunktik und tänzerischer Eleganz. Gleich in der Kantate auf den ersten Weihnachtsfeiertag überzeugt die malerische Qualität von Telemanns Komposition. Ein Engel singt Siehe ich verkündige euch große Freude, in der Musik rauschen seine Flügel und die Trompete schmettert darein. Ausdrucksvoll auch die Tenor-Arie mit obligater Flöte und der sich dem Himmel zu schwingende kurze Chor Gelobet sei der Herr, die Chöre sind hier einstimmig mit den Solisten besetzt.
Erst recht malt der alte Telemann mit glühender Feder in der Eingangs-Arie der Kantate zum zweiten Weihnachtsfeiertag Tönet die Freude belebte Trompeten den Schall diese jubelnden Instrumente wie auch den Wirbel der Pauken. Sehr pastorale Szenen entfalten sich in einem Hirtenchor, wie auch im aufschwingenden Jubel. Ein Engel beruhigt mit aparter Travers-Flöten- Begleitung und gezupften Streichern. In der Frankfurter Kantate Dazu ist erschienen die Liebe Gottes auf den dritten Weihnachtstag erinnert die Motorik der Melodie und Kontrapunktik an Johann Sebastian Bach. Zwei Hörner gesellen sich in der Neujahrskantate Wünschet Jerusalem Glück hinzu, die mit einem besonders ausgedehnten Eingangschor beeindruckt, der gleichsam ein Feuerwerk abbrennen lässt. Alt und Tenor singen im Wechsel in einer Arie. Auch die Kantate auf drei Könige Ihr Völker bringet her dem Herrn ist dicht gearbeitet und trotz ihrer Kürze ein feines Stück.
Das kleine Konzert unter Leitung von Hermann Max zusammen mit den Solisten Veronika Winter Sopran, Anne Bierwirth Alt, Jörg Poplutz Tenor und Matthias Viehweg Bass gestalten dieses Weihnachts-Pasticcio ausdrucksvoll und immer mit dem nötigen Fein-Gefühl für die Musik Telemanns. Es ist in jedem Fall eine ausgesprochen experimentelle und originelle Kirchenmusik, die wiederum belegt dass auch Telemann ein guter Musikdramatiker war und dass man in der Barockzeit durchaus die Oper in die Kirche zu holen verstanden hat, ohne ins attitüdenhaft Flache abzufallen. Die Stücke sind sehr originell, haben melodischen Reichtum, Charme und auch eine gelehrte Dichte. Eine breite Stil-Palette tut sich auf vom Hoch Barock bis zur vorklassischen empfindsamen Periode, die belegt welch ein einfallsreicher Komponist Georg Philipp Telemann war. Ein Avantgardist seiner Zeit. In jedem Fall eine Empfehlung nicht nur zu Weihnachten.
Jean B.de Grammont