Ein Essay von Jean B de Grammont mit Selbstportraits und einer Aquarellskizze des Autors
In unseren ausgesprochen hektischen Zeiten tut es wohl, viele Dinge ein wenig langsamer anzugehen. Deshalb ist der Genuss von guten Zigarren eine schöne Gelegenheit, sich zu entspannen. Das wirkt auf die Seele wohltuend und letztlich hilft es vielleicht sogar ihrer Gesundheit auf. Nehmen Sie sich Zeit und Muße dazu, und Sie werden viele Ereignisse etwas gelassener sehen. Zigarren sind etwas völlig anderes, wie die schnell und zwischen-durch rauchbare Zigarette. Diese ist eher ein schnelles Mittel schlechter Gewohnheit. Eine Zigarette kann viel eher süchtig machen und passt besser zu unseren schnelllebigen Zeiten.
Die Zigarre ist dagegen der Aristokrat unter den Tabakwaren. Allein das gewichtige Format ihrer Erscheinung. Die von Hand gerollten Tabakblätter von oft erlesener Provenienz. Dann die dekorative Binde machen schon die Erscheinung einer Zigarre repräsentativ. Das ist eine eigene Welt der gehobenen Genuß-Kultur.
Das Design der Banderole verleiht einer Zigarre weitere Wertigkeit. Teils wird auch das Ende durch eine weitere Binde geschützt. Da findet sich bisweilen der Hinweis hecho a mano, also von Hand gemachter bzw gerollter Longfilter gehobener Qualität. Alle anderen maschinell produzierten Shortfilter sollte der wahre Connaisseur unter den Aficionados allenfalls im Notfall sich gönnen. Manche Marken wie Davidoff oder andere bekannte Kubaner Zigarren wie Romeo und Julietta oder Partagas, dann Montecristo oder gar die teuren Cohiba und Trinidad haben schon durch ihren Marken-Namen großen Nimbus, ja eine besondere Aura. Andere weniger renommierte Marken helfen mit ein wenig Vergoldung der Banderole nach.
Da das Zigarre rauchen ein Akt der Muße ist, verwundert nicht das bedeutende Schriftsteller und Dichter insbesondere das Zigarren rauchen schätzen.
Berühmt dafür war Thomas Mann. Es gibt etliche Porträtfotos, die Thomas Mann mit der Zigarre posierend zeigen. Dieser berühmte Autor bevorzugte die Marke Maria Mancini, benannt nach einer Mätresse Ludwigs XIV. In seinem Roman "der Zauberberg" hat Thomas Mann dieser Zigarre ein Denkmal gesetzt.
Heute gibt es diese feine mittel kräftige Zigarre wieder.
Auf der Banderole prangt ein Portrait der hübschen Italienerin Maria Mancini.
Und dann wäre Hermann Hesse zu nennen. Von ihm gibt es ein repräsentatives Foto, dass ihn mit Fliege, Zigarre und Rotweinglas ablichtet. Welches seine Lieblings-Marke war, ist mir nicht bekannt. Zumindest waren es teure exquisite Zigarren, die er manchmal auf dem Boot aus der benachbarten Schweiz über den Bodensee nach Gaienhofen schmuggelte. Bisweilen behalf sich Hermann Hesse mit italienischen Zigarren namens Brissago aus Oberitalien.
Auch der Dramatiker und Lyriker Berthold Brecht zeigte sich gerne mit einer Zigarre zwischen den Mundwinkeln. Brecht schätzte besonders starke Brasil Zigarren.
Es gab selbst Schriftstellerinnen, wie die Romantikerin und Gefährtin Frederic Chopins, nämlich die legendäre George Sand, die sehr gerne Zigarre rauchte. Was damals noch ein Affront war, denn die Zigarre galt lange Zeit als reine Männerdomäne.
Hingegen lehnte etwa Dichter-Fürst Johann Wolfgang von Goethe das Rauchen und den Tabak entschieden ab. Ihm passte der Rauch nicht zum Himmel das Olymp. Der Barock Poet Daniel Stoppe meinte es freundlicher mit dem Tabak. Für Georg Philipp Telemanns Singe Spiel und General-Bass Übungen dichtete er ein ganzes Lied, das den Tabak lobpreist. Im Liedtext heißt es: "In allen Lexici in allen Wörterbüchern ist kein schöner Wort als der Toback".
In diesem Kontext gehört auch das Lied auf eine Tobacks-Pfeife von Johann Sebastian Bach aus dem Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach. Der Rauch steht gleichsam für die Vergänglichkeit, der Tabakrauch wird zum Vanitas Symbol.
Kommen wir wieder zur Zigarre zurück. Freude macht es schon, diese vor dem Anschneiden in der Hand zu halten und den Duft mit der Nase zu kosten. Das ist wie ein Ritual. Entweder verwende man den klassischen Cutter und mache einen ganzen Schnitt oder man schlage eine Kerbe ein mit dem Loch-Cutter, auch das Anbohren ist möglich. Danach entfache man vorsichtig das Feuer am Fußende stilvoll mit einem langen Zündholz und genieße die ersten Züge.
Je nach Machart und Qualität des Tabaks entfalten sich nun feinste Aromen. Ob sie nun nussig nach Mandeln oder Kaffee-Aromem schmecken oder eher erdig und schwer oder gar holzig. Bisweilen können auch süße Aromen dazukommen. Gegen Ende hin wird es meist pfeffrig. Ja es strömt und entfaltet sich mit dem Rauch ein Wohlbehagen, schön ausgefüllte Zeit verheißt der Werbeslogan von Davidoff und trifft es ganz gut.
Ob es nun die Formate Robusto, Panatella oder Corona sind oder Rothschild wie Churchill, je nach Länge und Dicke währt der Genuss zwischen 45 Minuten und eineinhalb Stunden oder sogar mehr. Nicht umsonst gibt es Wettbewerbe das Langsam Rauchens. Es bedarf wahrlich Zeit und Muße und das ist heute ein besonderer Luxus geworden, der die Exklusivität des Zigarre Paffens unterstreicht Man genieße eine Zigarre möglichst an schönen ausgesuchten Orten. In Parks und Gärten oder im Salon eine Schlosses oder Herrenhauses, wann immer es einem möglich ist. Leider werden die gehobenen Hotels mit commoder Smokers Lounge und Humidor immer seltener. Da finden sich dann die legendären Marken in einer feinen Selektion. Manchmal selbst dann, wenn sie auf dem allgemeinen Markt nicht greifbar sind.
Ich gebe offen zu, ich habe nach einigen Versuchen mit günstigen Zigarren sogleich zur Königsklasse gegriffen. Es ist schon eine ganze Weile her, während meines Studiums plante ich einen längeren Studienaufenthalt im wunderschönen Florenz, um die dortigen herrlichen Werke der Kunst und Architektur zu genießen und die italienische Sprache zu lernen. Frei nach Jakob Burckhardts Cicerone, eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens, machte ich mich daran. Zuvor besorgte ich Zigarren in einem Fachgeschäft zu Freiburg im Breisgau, Stefan Meier heißt es, das gibt es nach wie vor, an meinem damaligen Studienort. Also wählte ich gleich fünf Montecristo im Churchill-Format, so dass ich jede Woche eine feine Zigarre hatte. Ich rauchte diese nach meinem Picknick im Giardino di Boboli frei nach dem Motto Oscar Wildes, dass nur kultivierte Menschen den Genuss kennen, alle anderen wissen eben gar nicht was das ist. Der Rauch schwebte leicht über den Terrassen, Beeten und Buchs-Hecken des Renaissance-Gartens. Das Genießen der Zigarre beförderte meine Verdauung und regte die Fantasie an. Ich fand mich von Faunen, Nymphen und anderen Statuen und Vasen wie Balustraden und Fontänen umgeben. Es war wie eine Zeitreise und da ich elegante Kleidung trug und einen Hut, galt ich mit meiner Zigarre schnell als Italienischer Gentiluomo und wurde von anderen italienischen Reisenden für einen Florentiner gehalten. Allerdings waren mir die heimischen Zigarillos, die pezzi Toscanelli zu kräftig. Ich probierte sie einmal aus Neugier. Also blieb ich den Zigarren treu, namentlich den Montecristo. Noch heute erinnere ich mich an deren feinen Duft und aromatischen Geschmack. Jede neue Zigarre erinnert mich an diese schöne Zeit.