Inszenierung Le Comte Ory 20244Königliches Kurtheater und Trinkhalle wie Zitronenbaum
Fotocredit Jean B. de GrammontIn der Bibliothek desSchlosses
Wieder war Bad Wildbad im Juli 2024 Schauplatz des Rossini Belcanto Festivals. Im Kurpark vor dem königlichen Kur-Theater und der Trinkhalle aufgestellte Zitronenbäume in großen Vasen verströmten eine gewisse Italianitá. Und der kleine einst mondäne Kurort im württembergischen Schwarzwald gewann wieder an Größe und Internationalität.
An zwei Tagen waren wir vor Ort und hörten und sahen drei Opern, darunter zwei Inszenierungen und eine konzertante Aufführung. Zum einen von Giacchino Rossini zwei Opern und zwar die Italiana in Algeri sowie dessen französischsprachige Oper Le Comte Ory. Erstere im königlichen Kurtheater, die zweite in der Trinkhalle. Hinzu kam konzertant die Oper Masaniello von Michele Carafa, einem Freund und Kollegen Rossinis aus Pariser Tagen. Ebenfalls nach einem eher heroischen französischen Libretto über den Aufstand der Fischer in Neapel.
Wieder lohnte es, das Festival zu besuchen, da
es hier nicht um Prominente und das Gesehen werden geht, sondern um die Musik des Meisters aus Pesaro. Rossini, der hier in Wildbad einst kurte und wieder zu Kräften fand, so dass er die „Sünden des Alters“, wie der Komponist seine Spätwerke humorvoll nannte, schreiben konnte. Das haben wir wohl tatsächlich dem erholsamen Aufenthalt zu Wildbad Rossinis von knapp zwei Monaten zu danken.
Die Enz rauscht nach wie vor durch den Tal- Grund des wildromantischen Parks. Der schöne Schalenbrunnen von Friedrich von Thouret singt nach wie vor seine Melodien, wenn aus mit Muschelornament verzierten Öffnungen das Wasser von Schale zu Schale strömt. Als wäre es der römische Brunnen Conrad Ferdinand Meyers. In der neugotischen anglikanischen kleinen Kirche mitten am Park werden Einführungen zu den Opern angeboten.
Der erste Höhepunkt war heuer die Aufführung von Comte Ory in der Trinkhalle.
Übrigens Rossinis zweitletzte Oper vor Guillaume Tell, die Material der Krönungs- Oper Il viaggio a Reims wiederverwertet. Ein reifes Meisterwerk Rossinis ist dieser Graf Ory, der die ganze Opernerfahrung das Meisters deutlich macht.
Der Musik Rossinis merkt man überdies an, dass wohl Studien der französischen Oper des 18. Jahrhunderts vorausgingen. Bisweilen scheint es als wäre in den Chören und Ensembles Rossinis der Geist Raneaus und Gretrys wieder erweckt, nur eben in der Form eines Rossini.
Mit reichen Tableaus wartet diese Oper auf.
Jochen Schönleber packt das Geschehen in ein paar große einfache Bühnenbilder. Zuerst ein Strand mit Palmen, da taucht der als Eremit verkleidete Graf Ory wieder auf mit weißem Bart und erteilt seinem Gefolge im Look der Hippies der Siebziger Jahre weise Ratschläge. Für die fantasievollen Kostüme zeichnete Olesja Maurer verantwortlich.
Kraftvoll setzt die Ouvertüre ein, eine teils marschartige Musik, teils jubelnd und spielerisch.
Die Philharmonie Krakau gab das zupackend und bravourös unter Leitung von Piotr Piwko. Desgleichen setzte der Chor der Szymanowski Philharmonie Krakau leuchtende Akzente, schon in den ersten Szenen gab es viele Chorpartien aus
den Rittern des Gefolges des Grafen Ory, der Knappen, Bauern und Bäuerinnen. Patrick Kabongo sang die Partie des Grafen mit hellem ausdrucksstarken Tenor sehr flockig und gelenkig.
Ihm zur Seite in der Rolle des Gouverneurs mit dunklem wohlabgemessenem Bass Nathaniel Tavernier. Diana Hallers Mezzosopran überzeugte mit Ausdruck und feinen Konturen und verlieh dem Pagen Stimme. Als weiterer Gefährte Orys zeichnete Rimbaud mit rollendem Buffo Bass von Fabio Capitanucci bestens ausstaffiert kapriziöse Szenen. Mit viel Verve bunten musikalischen als bunten Figuren-Szenarien ging das vergnüglich voran. Bis der Schauplatz ins Innere des Schlosses verlegt wird. Bücherwände einer Schloss Bibliothek und entsprechendes Mobiliar deuten das auf einfache Weise an. Jetzt erhält die Gräfin de Formoutier zusammen mit ihrer Pförtnerin Ragonde ihren großen Auftritt. Sofia Michedlishvili sang die Gräfin mit leuchtend strahlenden Koloraturen sehr ausdrucksvoll und zugleich schönstem Belcanto. Der wohlige Mezzo der Pförtnerin, ebenfalls sehr lebendig und kraftvoll wie gelenkig gegeben von Camilla Carol Farias überzeugte zudem mit Temperament.
Ein Höhepunkt des zweiten Aktes ist das wundervolle Terzett A la faveur de cette nuit obscure“. Hinter einem durchsichtigen Vorhang in den Schlafgemächern des Schlosses gesungen. Da ist bereits Graf Ory mit seinem Gefolge In Frauenkleider geschlüpft und im Schloss aufgenommen. Das gibt Anlass zu zahlreichen komischen Szenen etwa wenn die Ritter den Weinkeller entdecken und mit Freude an den vielen Flaschen sich laben. Kaum aber stört die Pförtnerrin dies Bacchanal wandeln sich die Trinklieder in allzu fromme Gesänge der zu Frauen verkleideten Recken auf Pilgergerschaft. Graf Ory in seinem rosafarbenen Kleid mit blonder Perücke gibt auch so eine gute Figur. Gleichwie die Gräfin in ihrem schwarzen Seidennachthemd verführerisch ausschaut und singt. Dazwischen gibt es Sturm- und Gewitter-Szenen, die ebenfalls einem Rameau alle Ehre machen würden.
Dieses Durcheinander geht so lange weiter , bis der Haupttrupp der Kreuzfahrer unter Fanfaren-Klängen wieder zurückkehrt. Das alles mit der schönsten lebendigsten Musik versehen, das es eine Freude ist. Und so wurde es auch zu einem echten Opernhöhepunkt in Bad Wildbad. Zumal in der einfachen Trinkhalle, die weder eine tiefe Bühne hat noch ein wirkliches Opernhaus ist. Das Orchester sitzt direkt vor dem Bühnengeschehen. Entsprechend ist die Musik sehr präsent. Und auf den ersten Reihen, fühlt man sich fast ins Geschehen einbezogen. Das macht das Opernerlebnis hier sehr unmittelbar.
Fotos der Inszenierung von La Italiana in Algeri 2024 Fotocredit JB de G
Für die noch für ein venezianisches Theater geschriebene Opera Buffa L´Italiana in Algeri stand mit dem königlichen Kurtheater ein echtes kleines Opernhaus zur Verfügung. Hier ist die Atmosphäre im Stile der Neo- Renaissance mit Logen und Emporen sehr intim. Bestens geeignet für diese beinahe noch kammermusikalische Opernkunst. Somit wird das Opern Schaffen Rossinis hier vielleicht sogar zu einem größeren Genuss wie in einem großen Opernhaus.
Auch hier steuerte das Orchester der Szymanowski Philharmonie Krakau aus dem Orchestergraben des kleinen Theaters eine sehr gelungene Darbietung bei, von der flockig quirligen Ouvertüre an, die mit ihren Ohrwürmern einem nicht aus dem Kopf geht. Jose Miguel Perez-Sierra dirigierte diese feine Partitur mit vielen Ensembles bis hin zu Terzetten, Quintetten und allen zusammen plus Männerchor, die zeigten wie sehr Rossini von Mozart gelernt hat.
Die Bühne Jochen Schönlebers kam mit wenigen Requisiten aus. Rechter Hand ein Kebab-Stand Mustafa, eine ironische Anspielung auf dem Bey von Algier. Am aufwändigsten noch der Kleinwagen, mit der Aufschrift Rallye Paris Dakar, der Isabella mit ihrem Begleiter Taddeo stranden lässt.
So nahm die Komödie ihren Lauf. Der junge Italiener Lindoro, Lieblingssklave des Bey, soll Mit Elvira der Frau Mustafas verheiratet werden, Da dieser ihr überdrüssig ist. Da strandet gerade rechtzeitig, als neues Objekt der Begierde, die schöne Isabella und ihren Begleiter im besagten italienischen Kleinwagen. Schnell wirft Mustafa ein Auge auf sie. Isabella umgarnt ihn mit ihren Reizen. Mustafa möchte ihr imponieren in dem er Taddeo zum Kaimakan, zu seinem Stellvertreter ernennt. Aber natürlich sinnt Isabella auf Flucht.
Mit einer List gelingt das schließlich, denn Mustafa soll zum Papataci ernannt werden und die große Festzeremonie in der der Bey diese angebliche Auszeichnung unter vielen Spaghetti erhält, Papataci bedeutet soviel wie Vielfraß, bietet dazu Gelegenheit. Taddeo erhält schon bei seiner Ernennung zum Kamaikan Kochmütze und Löffel.
Eine nicht minder ironische Anspielung auch auf die Liebe zur guten Tafel des Komponisten Rossini.
Auch stimmlich ist das hier gute Tafel,wenn nicht gar Delikatessen. Dogukan Özkan singt mit kraftvollen Bass den Bey. Elvira seine Frau und Zulma die Vertraute dieser, Sind mit Oksana Vakula und Camilla Carol Farias stimmlich bestens besetzt. Hyunduk Kim brillierte mit seinem gelenkigen hellen Tenor in der Rolle des Lindoro. Francesco Bosso überzeugte mit polternden Bass als Kapitän der algerischen Piraten. Sehr brillant, auch darstellerisch, als Isabella Polina Anikina, mit leuchtenden Koloraturen und klarer Diktion. Emmanuel Franco machte seine Sache als feiner Buffo-Bass in der Rolle ihres Begleiters Taddeo vortrefflich.
Die bunten fantasievollen Kostüme Olesja Maurers trugen das ihre zu dieser farbenfrohen Inszenierung bei.
Wirklich eine Rossini Oper mit höchstem Genuss und unvergleichlicher Komik.
Das drame historique in vier Akten Masaniello von Rossinis Freund und Zeitgenossen Michele Carafa von 1827 für die Opera Comique in Paris komponiert, wie Graf Ory mit einem französischen Libretto, erklang in Wildbad zum ersten Mal konzertant wieder. Knüpfte an die schöne Tradition an, hier auch Raritäten aus dem Umfeld Rossinis zu präsentieren. Gewiss gibt es in diesem Werk auch musikalische Schönheiten von der Ouvertüre an und ebenso schöne Arien mit solistischen Horn und Flötenpartien. Vor allem große Chor und Gesangsnummern die recht pathetisch wirken.
Es geht um den Ausstand des Fischers Masaniello gegen die Steuer eintreibende Obrigkeit.
Nicola Pascoli feuerte Chor und Orchester aus Krakau an und die Solisten, meist bekannt aus den anderen Aufführungen, taten ihr Bestes.
Vielleicht aber ist diese Oper doch ein Fall fürs Archiv. Trotz der guten Interpretation wollte der Funke nicht ganz überschlagen.
Aber eine interessante Begegnung mit dem Umfeld Rossinis war es allemal. Zugleich zeigte es wie genial eben Rossini ist, der vor dem guten Durchschnitt seiner Zeit sich umso lichtvoller abheben musste.
Jean B. de Grammont