Fotocredit Andrea Kremper Festspielhaus BBDie Star-Geigerin Hillary Hahn konnte leider nicht auftreten. Doch im Festspielhaus Baden-Baden fand sich schnell Ersatz für die erkrankte Solistin.
Die aus Argentinien stammende bekannte Cellistin Sol Gabetta, mit französisch russischen Wurzeln, sprang kurzfristig ein und spielte Edward Elgars retrospektives elegisches Cello-Konzert.
Da sie an der vom verdienstvollen Paul Sacher gegründeten Musikakdemie in Basel lehrt, war es für sie fast ein Heimspiel und nicht ihr erster Auftritt hier. Es spielte das Orchestre Philharmonique de Radio France unter Leitung seines Chefdirigenten Mikko Franck.
Eingangs stand allerdings Hector Berlioz Ouvertüre zu „Beatrice et Benedict“.
Eine Hommage an Baden Baden, da mit dieser letzen Oper des Meisters anno 1862 das Theater Baden-Baden eröffnet wurde. Berlioz war in Baden Baden ein gern gesehener Gast; kein Wunder, war doch zu dieser Zeit vor allem die elegante Pariser Welt-und Halbwelt in der Capitale d‘ete zu Gast und das hier neuerbaute Theater ist ganz nach dem Geschmack eines französischen Grand Theatre dieser Zeit gestaltet.
Einen fantastischen französischen Gout folgt Berlioz in seiner Kompositionsweise dieser seiner letzten Oper. Schon im 18. Jahrhundert waren die Franzosen Meister der Klangfarben, so insbesondere Jean Philippe Rameau. Berlioz steht dem nicht nach und experimentiert mit sich teils überschneidenden Motiven. Die dreiteilige Ouvertüre für großes Orchester wurde hier in ihrem scherzhaften Charakter, ihrem verträumten sanglichen Mittelsatz und ihrem schwungvoll heiteren Finale trefflich gegeben, so dass echter französischer Esprit aufkam. Blech-und Holzbäser schillerten in den satten Streicherlinien des grossbesetzen Orchesters. Da störte auch nicht wirklich das von einem Gast nicht ausgestellte Mobile, dass ausgerechnet im leisen langsamen Satz hörbar wurde.
Edward Elgars spätes 1919 uraufgeführtes Cellokonzert erscheint wie ein Nachruf auf die alte Zeit des britischen Empire. Es hat fast etwas retrospektiv Verklärendes wie Stefan Zweigs Buch „Die Welt von Gestern“. Elgar schreibt ein ungewöhnliches viersätziges Konzert, dass mit einer Adagio-Einleitung anhebt und ein zwischen langsamen und schnellen Abschnitten wechselndes Finale kennt und ungewöhnlich genug mit einem Adagio schließt. Wie eine Art Abschieds-Sinfonie für Solo-Cello und großes Orchester erscheint es. Sol Gabetta gab feine dunkelschattierte Klagegesänge, aber gleichfalls virtuose Skalen sehr gekonnt und routiniert ohne ins Schablonenhafte abzudriften. Das Orchester begleitete adäquat mit Klangsinnlichkeit, insbesondere im mittleren Adagio. Vielleicht haftet diesem Elgar Konzert eine gewisse britische Exzentrik an. Das machte das Pariser Orchester zusammen mit der Solistin deutlich.
Als Zugabe zeigte Sol Gabetta ihr ganzes Temperament mit einer folkloristischen Solo-Stück.
Caesar Franck hatte belgische und deutsche Wurzeln und wurde einer der berühmtesten Organisten in Paris des 19. Jahrhunderts. Zu seinen Schülern zählten u.a. Graf Vincent d’Indy und Louis Vierne. Berühmt ist ebenfalls seine 1889 entstandene große Sinfonie in d-Moll. Sie galt vielen französischen Zeitgenossen als zu deutsch in ihrer wuchtigen Klangpracht, obwohl sie weder mit einer Brahms-oder Bruckner-Sinfonie allzuviel gemeinsam hat. Allerdings instrumentiert Franck sehr gut und insbesondere die Holz-und Blechbläser haben Wichtiges zu sagen. Langsam geht es los und über in einen raschen kontrapunktisch meisterhaft aufgebautes Allegro non troppo. Darauf folgt ein melancholisches Allegretto mit Pizzicato und einem wunderschönen Englischhorn-Solo. Und darauf schon das kantig festliche Finale. Mit Delikatesse und schwungvoller Pracht gestaltete das Orchester unter Mikko Franck diese Sinfonie und schloss sogar noch eine Zugabe an. Die wir allerdings nicht mehr goutieren konnten, da unsere Nachbarn hinausdrängelten. Offensichtlich kein geübtes Konzertpublikum, sondern Empfänger von Freitickets.
Jean B. de Grammont