Beethovens berühmtes Violinkonzert mit der jungen und hochtalentierten spanischen Solistin Maria Duenas zusammen mit den Bamberger Symphonikern unter Leitung von Christoph Eschenbach zu hören machte Freude. Darauf gab es in diesem ganz klassisch romantischen Konzert Johannes Brahms Geniestreich seiner ersten Symphonie. Einen symphonischen Neuanfang im Geiste Beethovens von ganz eigenem Charakter und Stil, eben dem von Brahms. Lange hatte es gebraucht bis Brahms seine erste Sinfonie, die erst 1876 in Karlsruhe uraufgeführt wurde, endlich komponierte. Der Schatten Beethovens stand dunkel drohend hinter ihm. Das beschreibt eine hübsche Anekdote am besten. Als Brahms zum Essen eingeladen von einem Frankfurter Bankier einen besonderen Rot-Wein kredenzt bekam mit der Bemerkung dass sei sein Brahms aus dem Keller, antwortete der Komponist knapp und trocken, ihm wäre sein Beethoven aus dem Weinkeller lieber gewesen.
Dieses Konzert fand im Festspielhaus Baden-Baden statt. Allerdings gab es hier weder Brahms noch Beethoven aus dem Weinkeller, sondern eine unangenehme Überraschung. In Sachen Organisation scheint das Festspielhaus offenbar eine Katastrophe zu sein, wenn es einmal kurzfristig gehen soll. Trotz zweifacher Anfrage beim Presse-Chef und persönlicher Nachfrage beim Intendanten von Angesicht zu Angesicht einen Tag zuvor, musste ich erst kurz vor Beginn des Konzerts an der Kasse eine Karte organisieren und dank der freundlichen jungen Dame dort erhielt ich auch eine. Ansonsten hätte dieser Beitrag gar nicht erscheinen können.
Ist das Festspielhaus also eher ein „Classic light Discounter“ als Musen Tempel für gehobene Ansprüche von „haute-culture-jdg.de“ fragen wir uns wohl mit Recht? Dabei waren große Lücken im Publikum und teils ganze Reihen frei. Angeblich wäre das Pressekontingent ausgeschöpft gewesen. Natürlich nicht für die Fazkes und die regionalen Boulevard-Blätter, mit ihrer plätschernden mundgerechten fast food Bejubelung: Note ausreichend bis Ungenügend für das Festspielhaus Baden-Baden als Veranstalter. Weiteres darüber lesen Sie gern in unserer Rubrik Musik, Stichwort „Baden- Badener Spätherbst“. Als früher häufiger Gast der Musentempel zu Paris und Zürich bin ich Anderes gewohnt, so stellt sich im angeblichen Weltbad dann leider echter Provinz-Mief ein.
Dafür entschädigte aber das Konzert. Die Bamberger Symphoniker zählen mit Sicherheit zu den Spitzen-Orchestern Europas. Das Orchester hat einen ganz eigenen Sound. Kraftvoll und fein zugleich ist dieser, die Streicher klingen warm wie lauschig knisterndes Kaminfeuer, Echtholz natürlich. Namentlich das Blech ist strahlend hell und klar. Die Hörner klingen nach Wald und Pastorale.
Dann geht es los mit ein paar dumpfen Paukenschlägen hinein in Beethovens Violinkonzert. Vielleicht ist die Besetzung ahistorisch etwas zu groß geraten. Das ist aber gut in diesem großen Konzerthaus. Hörner und Oboen stimmen ein hymnisches Thema an, die Streicher treten hinzu. Dirigent Christoph Eschenbach inszeniert das mit leisen, aber präzisen Gesten, frei von Allüren und Attitüden. Nach über 80 Takten setzt endlich die Violine ein. Maria Duenas singt mit süßem Schmelz bis in die höchsten Lagen ihr Thema und führt spielerisch durch die schwierigen Gänge und Partien ihres großen Solo im ersten Satz. Bemerkenswert sind ihre selbst komponierten Kadenzen, an Funken voll mit silbernen Läufen und Doppelgriffen, Akrobatik nahezu, aber keine zur Schau gestellte Virtuosität und ihrer selbst Willen. Sondern durchaus poetisch warm und erfreulich klingt das bei ihr. Danach geht es über zum Thema im Dialog mit dem Solo Fagott wieder wunderbar singend.
Im langsamen Satz entfaltet sich sehnsuchtsvolle Romantik mit dem Dialog von Klarinette, Oboe und Hörnern zum Cantabile der Geige in hohen Lagen. Es duftet nach Waldidyll und eine klare Sommer-Mondnacht scheint in Tönen abgebildet. Ein schöner Traum, der je ins burschikos hurtige Schluss-Rondo übergeht. Auch hier kann die Solistin jubelieren mit schillernden Läufen zu den sich aufschwingenden Klangkaskaden der Klarinetten, Oboen und Hörner. Rhythmischer Furor und tänzerischer Schwung auf das Schönste!
Mit einer Eigenkomposition „Hommage an Beethoven“ gab Maria Duenas eine Zugabe. Ein interessantes Solo-Stück durchsetzt mit Zitaten aus dem großen Violinkonzert des Meisters.
Im zweiten Teil Brahms erste Symphonie. Mit ihren wuchtigen Akzenten und dem feinen Seitenthema mit duftig eingewobenen Holzbläsern verebbend. Kantig und herb ist das keine eingängige Musik. Schroffe Harmonik die sich aber dennoch in feinste Klänge auflöst. Die Bamberger Symphoniker machten unter Christoph Eschenbach Dirigat einen strahlenden Brahms daraus, der satt und kraftvoll als rhythmisch, ja pathetisch leuchtete. Warme Sanglichkeit dann langsamen Satz welch ein duftiger Streicher und Holzbläser-Schmelz, wie der warme Duft einer süßen Zigarre zwischen Heu und Nussigkeit schwebte der Satz vorüber mit der Brahms eigenen Behaglichkeit. Eine sonnenhelle Melodie der Streicher, zu grundierenden Akkorden wie ein „Es ward Licht“, so viele poetisch beglückende Momente darin von echter romantischer Sehnsucht. Wallende Holzbläser und Pizzicati im Un poco allegretto e grazioso dann. Im Trio an Intensität zunehmend mit vollem Blech und Trompeten Glanz.
Endlich das mehrteilige Finale mit dem großen Schweizer Bergwelten hervorrufenden Posaunenthema nach Art des Alphorns und zugleich ein Gruß an Brahms Freundin Clara Schumann. Kraftvolle Dynamik im Orchester, die sich schließlich in feine Details eines Geigen Solos und Holzbläser Soli, insbesondere der Oboe auflösen. Vielgestaltiger kann ein Schlusssatz kaum komponiert werden. Und Brahms als Meister des Orchesterklanges, als Magier der Instrumente wurde hier gefeiert und inszeniert. Kein Wunder dass Christoph Eschenbach nach dem einsetzenden Applaus die Solisten gebührend feiern ließ. Als Zugabe endlich mit Schwung und wienerischem Charme gespielt einer der ungarischen Tänze von Brahms mit funkelnden Trio. Ein großer Konzertabend in Baden-Baden ohne Frage!
Jean B. de Grammont