Freundeskreis feiert Brahms

Es war eine passende Gelegenheit Johannes Brahms zu feiern am 18.  Februar 2024. Schließlich ist der Freundeskreis des Festspielhauses Baden-Baden ebenso mit dem Genius-Loci verbunden, wie es der große Wahl-Wiener Komponist Johannes Brahms  einst war.

Brahms kam in die einstige Sommerhauptstadt Europas, weil seine Freundin Clara Schumann hier wohnte und weil die idyllische Landschaft und die Ruhe im damaligen Lichtental ihm viel Anregung für seine Kompositionstätigkeit gab.

Entsprechend war der Abend eine Hommage an Brahms, die  mit dessen zweiter Sinfonie ein gewichtiges Werk einbezog, das sogar in Lichtental im Jahr 1877 seinen Abschluss fand. Und ohne den Freundeskreis gäbe es kaum Konzerte auf Weltniveau in Baden-Baden in unseren Tagen. Denn dieser unterstützt finanziell die Aufführungen im Festspielhaus. Zugleich war das Konzert eine Erinnerung an den um Freundeskreis und Festspielhaus sehr verdienten Staatsmann Wolfgang Schäuble.

 

Das renommierte Budapest Festival Orchestra unter Dirigent Ivan Fischer zusammen mit dem Pianisten Vadym Kholodenko war eingeladen. Die Ungarn verstehen ihren Brahms. Es war wie in einem Wiener oder Budapester Kaffeehaus. Feinste Torten mit Sahne und ein Café mit Rum (ein Pharisäer) wurden für Johannes Brahms serviert in musikalischer Form. Dem der genießende alternde Komponist hernach wohl noch eine Zigarre als Digestiv zu einem Wein angeschlossen hätte, um also erheitert und gestärkt wieder an die Komposition eines Stückes zu gehen. Also behaglich erschien uns die Deutung des Budapester Orchesters mit viel Charme und Herzenswärme wie sie nur in Wien und Budapest vorkommen mag. Erst sangen die Orchester-Mitglieder Brahms Lied "kleine Schwalbe" zum Gedenken an Wolfgang Schäuble.

Den Rahmen bildeten ausgesuchte ungarische Tänze von Johannes Brahms. Bekanntlich gab Brahms diese Stücke lediglich für Klavier zu vier Händen heraus und überliess die Orchestrierung seinen Kollegen. Bis auf einen Tanz, nämlich die Numero 10, die in Brahms eigenhändiger Orchestration  den Abend mit viel Temperament und tänzerischen Schwung eröffnete.

Das Budapest Festival Orchestra (ML Iván Fischer) und derv Pianist Yefim Bronfman  während eines Konzertes am 18.2.24 im Festspielhaus Baden-Baden
Das Budapest Festival Orchestra (ML Iván Fischer) Singen während eines Dr Wolfgang Schäuble gewidmeten Konzerts   am 18.2.24 im Festspielhaus Baden-Baden
Das Budapest Festival Orchestra (ML Iván Fischer) und derv Pianist Yefim Bronfman  während eines Konzertes am 18.2.24 im Festspielhaus Baden-Baden

Zu solcher temperamentvoller Folklore hatten Brahms die Roma Kapellen angeregt. In Budapest kann man ähnliche Musik-Ensembles heute noch hören. Natürlich war das für den norddeutschen und ernsthaften Komponisten Brahms sehr exotisch. Aber gerade das regte ihn an.

Fischers Dirigat feuerte nun das Budapester Orchester an. Entsprechend klangschön und eher ausgewogen als dramatisch gelang die Interpretation des zweiten Klavierkonzerts von Brahms. Dieses große Werk, fast eine Symphonie für Klavier und Orchester, stellt auch den Pianisten vor große Herausforderungen. Gleich eingangs dialogisiert ein Hornsolo mit dem Flügel, der sich in gleitenden Arpeggien ergeht. Gerne verbindet man diesen Beginn mit der Alpenromantik des 19 Jahrhunderts. Es klingt auf jeden Fall sehr nach Naturidylle und zitiert ein Motiv aus Schuberts 8ter großer Sinfonie.

Freilich wird dieser Satz architektonisch großräumig ausgebaut. Ein Meisterwerk der Instrumentation und Klangfarben ist das.  Den Solopart gestaltete Kholodenko poetisch und fein, aber für unseren Geschmack fehlte es ein wenig an Kraft und Volumen. Der wuchtige Zugriff eines Brahms wurde zu wenig in den Vordergrund gestellt. Dennoch war es eine überzeugende Leistung von Solist und Orchester. Ungestümer wird das Allegro appassionato schon von seiner Anlage her. Es ist wie ein verkapptes Scherzo einer Symphonie. Zupackend türmte das Orchester brausende Skalen auf, in die funkelnde Klavierläufe eingestellt waren. Im Trio dann eine Annäherung an Händel in kontrapunktischen Streichermelodien wie aus einem Concerto grosso des Barockmeisters.

In dem verträumten Andante wiederum gab Brahms eine Hommage an Frederic Chopin und seine Nocturnes. Eingeleitet von einem singenden Cello-solo entfaltete dieser Satz auch hier seine wundervolle Poesie. In den verhaltenen Akkorden das Klaviers, die sich in die Orchester-Melodien sehr feinfühlig einschmiegten.

Das Allegretto grazioso das Finales wiederum greift ebenso Elemente der ungarischen Volksmusik auf, wird zu einem beschwingten Ausklang in Rondo Form, die wie eine Verneigung von Brahms vor seinem Vorbild und Vorgänger in Wien Wolfgang Amadeus Mozart anmutet, wenn auch in der Klang-Sprache der späten Romantik.

Dieser Satz federte leicht dahin mit Temperament all Zingarese  Eine Bagatelle Beethovens wurde vom Pianisten als Zugabe gereicht.

 

Die zweite Hälfte des Konzerts eröffnete der siebte ungarische Tanz, diesmal in der Orchesterfassung von Ivan Fischer selbst, der auch Komponist ist. Dies wurde zu einem Kabinettstück tänzerischer Bewegung.

Endlich beschloss die große zweite Sinfonie von Johannes Brahms das Konzert. Innerhalb eines halben Jahres hatte er dieses Werk vollendet. Davon einen Großteil in Lichtental. Die Sinfonie hat einen ausgesprochen idyllischen Charakter, als wäre sie ein Abbild der Täler um Baden-Baden.

Innige Naturstimmung mit pastoralem Duktus beherrscht den ausgedehnten ersten Satz. Dieser gelang sehr einfühlsam mit ausgesprochen schönen Blech und Holzbläser-Klangfarben und samtigen Streicherkantilenen. Das melancholische Adagio non troppo ist dagegen fast eine Trauermusik, wobei die Posaunen passend eingewoben sind. Eingeschoben ist eine ganz kurze Gewitter-Szenerie.. Vielleicht ein leichter Anklang an Beethovens berühmte Pastorale. Ein heiterer Tanz, fast ein höfisches Menuett, folgt in einem duftigen Allegretto grazioso mit zahlreichen Variationen. Endlich rollte das Finale klangprächtig und mit großen Pomp dahin, mit seinen funkelnden Holzbläser-Wirbeln und Pizzikati im Wechsel mit rauschendem Blech.

Beim ungarischen Orchester unter Ivan Fischer war die Sinfonie in guten Händen. Das war eine gelungene Hommage an Brahms in Baden-Baden im Jahr 2024.

Als furiose Zugabe wurde ein weiterer ungarischer Tanz aus Brahms Feder angeschlossen.

Jean B. de Grammont