
Heute ist Johann Amadeus Naumann, wie er sich nannte, meist nur noch Kennern der Musikgeschichte des 18. Jahrhunderts geläufig. Dabei war er einer der führenden Komponisten in Deutschland in der Zeit der Klassik. Naumann bestimmte das Musikleben in Sachsen und teils sogar in Schweden zu Lebzeiten maßgeblich mit.
Vor allem war Naumann Opernkomponist und Schöpfer von geistlichen Werken, darunter Messen und Kantaten.
Daneben entstanden Klaviersonaten, Kammermusik und Lieder wie wenige Konzerte. Naumann war in Italien Schüler von Giuseppe Tartini, Padre Martini und Johann Adolph Hasse gewesen. Später wurde Naumann königlich sächsischer Hofkapellmeister in Dresden in der Nachfolge Hasses.
Das im Bereich Kammermusik und Lied manche Preziose zu entdecken ist, belegt die neue bei CPO erschienene CD.
Die Sopranistin Luise Werneburg hat zusammen mit dem Pianisten Sebastian Knebel, der auf einem Nachbau eines Stein Pianoforte spielt, eine Auswahl an Naumanns Liedvertonungen zusammen gestellt.
Dazu gesellen sich drei der Klavierquartette aus einer komplett sechsteiligen Serie. Bei den Quartetten kommen Traversflöte, Violine und Violoncello hinzu. Von Anne Freitag, Margret Baumgartl und Alma Stolte stilgerecht musiziert.
Sehr bemerkenswert sind die Lieder Naumanns. Stilistisch weitläufig verwandt mit Liedvertonungen etwa von Carl Philipp Emanuel Bach und anderen Meistern der Empfindsamkeit.
Vor allem sind dabei ein paar frühe Vertonungen von Dichtern wie Goethe und Schiller zu finden. Teils ist der Klavierpart mehr als nur eine einfache Begleitung, so werden etwa Schlüssel-Wörter musikalisch nachgezeichnet. Das klingt dann fast schon wie eine Vorahnung von Schubert Liedern.
Viele Dichter der Ära der Empfindsamkeit kommen vor, wie Gleim oder Zachariä, dann Kosegarten und Hölty und zudem die Dichterin Elisa von der Recke. Von Goethe wird dessen Gedicht „Nur wer die Sehnsucht kennt“ unvergleichlich eingefangen. Von Schiller die vielstrophige Gedankenlyrik über „die Ideale“ und dessen Ode an die Freude hier einmal ganz anders wie man sie aus Beethovens 9ter Sinfonie kennt.
Höltys „Seufzer“ stilisiert den Gesang der Nachtigall, ein beliebter Topos dieses großen Lyrikers der Empfindsamkeit. Zachariäs Lobpreis des Claviers ist ein Kabinett-Stück eigener Prägung und von ernster Melancholie Gellerts Gedicht „vom Tode“.
Marie Luise Werneburg trifft mit schlankem lyrischen Sopran den Tonfall der Lieder Naumanns trefflich. Sebastian Knebel accompagniert mit feinfühliger Eleganz auf dem Pianoforte.
Die teils zweisätzigen Quartette erinnern in ihrem Divertimento-Tonfall an ähnliche Stücke von Johann Christian Bach, dem sogenannten Londoner Bach. Es sind schillernde Beispiele für den frühklassischen Klavierquartett-Stil einer gehobenen Unterhaltungsmusik für den Salon. Feingliedrig, brillant und voller Pointen.
Eine schöne CD für Kenner und Anhänger von ausgefallenem Repertoire.
Jean B. de Grammont

