Joseph Martin Kraus bei CPO

Man nennt den wenig bekannten Komponisten Joseph Martin Kraus aus der Ära der sogenannten Wiener Klassik auch den schwedischen oder Odenwälder Mozart.
Und in der Tat hatte Kraus fast die identischen Lebensdaten wie sein weit berühmterer Komponisten-Kollege.

Geboren 1756 und nur ein Jahr später, nämlich 1792, verstorben eint Kraus zumindest dies mit Wolfgang Amadeus Mozart.

Freilich war auch Kraus ein genialer frühreifer Komponist und ebenfalls komponierte Kraus in vielen Genres, darunter auch große Opern, Sinfonien und Streichquartette etc…Ein Wunderkind war Kraus allerdings nicht.

Allerdings ging Kraus früh an den Hof des Kunstliebhabers König Gustav III von Schweden. In diesem Land ist Kraus bis heute weit bekannter wie in seiner deutschen Heimat.

Große Opernwerke von ihm sind sogar in schwedischer Sprache gehalten.
Und kein geringerer wie Joseph Haydn, dem Kraus auf einer Reise begegnete sprach anlässlich einer ihm von Kraus dedizierten Sinfonie, von einem der größten musikalischen Genies, die ihm neben Mozart begegnet seien.

Stilistisch freilich war für Kraus vor allem Christoph Willibald Gluck ein Vorbild.
Das ist seiner Musik anzuhören.
Bisweilen kommt ein geradezu vorromantischer Zug dazu, oder ist es Sturm und Drang?
Daneben gibt es Klaviersonaten und ein Klaviertrio wie Streichquartette und geniale Liedvertonungen, die teils tatsächlich ein wenig wie Mozart klingen.
Es gibt sogar ein Lied von Kraus auf Mozarts Tod. Begegnet sind die beiden persönlich jedoch nie.

Im Jubiläumsjahr 2006 wurden einige große Kraus Opern in Schwetzingen und Stuttgart wie in Luzern gespielt und inszeniert, die ich alle besuchte und in guter Erinnerung habe. Teils berichtete ich damals für verschiedene Musikmagazine darüber.

Auf zwei CDs immerhin ist Kraus auch beim Entdeckerlabel CPO zu finden bislang.

Eine davon bringt Ausschnitte aus seinem geistlichen Werk, die bemerkenswert sind. Darunter ein Miserere und ein Requiem aus seiner frühen Zeit. Ferner ein Stella Coeli, ein Auftragswerk für die Abtei Amorbach anlässlich der Orgelweihe dort, während eines Besuchs in der Heimat entstanden, als Kraus schon in Schweden engagiert war.

La Stagione Frankfurt zusammen mit dem Deutschen Kammerchor und ausgesuchten Gesangs-Solisten unter Leitung von Michael Schneider sorgen für eine adäquate Interpretation dieser Raritäten in historisch kundiger Weise mit Original-Instrumenten.

Insbesondere das Misere ist mit beeindruckenden Wendungen bestückt. Auch das Requiem weist berrückend schöne Partien auf, ist aber natürlich nicht mit Mozarts großem Requiem vergleichbar. Als Hörer sollte dieser Vergleich nicht gezogen werden, sonst stellt sich Enttäuschung ein.

Ein Juwel ist insbesondere die Marien-Antiphon Stella Coeli mit schwungvollen Chören, eine ausdrucksvolle Fuge ist dabei, melodischen Soli der Sängerinnen und Sänger und im zweiten Teil einem Orgel-Solo. Gerade dieses Stück klingt sehr nach Joseph oder Michael Haydn, echt süddeutsch. Übrigens blieb Kraus katholisch in Schweden.

Eine Aufnahme verschiedener Ouvertüren zu Opern und Kantaten von Kraus bietet das Album mit dem Orchester Theresia unter dem Dirigat von Claudio Astronia. Darunter ist die fast präromantisch aufgewühlte Ouvertüre zu Kraus musikdramatischem Haupwerk Äneas in Carthago und ein Vorspiel zu einem Akt daraus zu hören. Genauso sind die beiden Einleitungen zu der großartigen Trauermusik auf König Gustav III eingespielt. Auch die Ouvertüren zu den Opern Proserpin und Soliman sind zu finden und andere Stücke mehr.
Das Originalklang Orchester Theresia trifft den Tonfall von Kraus Musik ansprechend und macht daraus eine spannende Begegnung mit dem Original-Genie Josef Martin Kraus.

Jean B. de Grammont