Kammermusik für Klarinette und Klavier „le chant des partisans“

Kammermusik für Klarinette und Klavier
„Le chant des partisans“

Im Rahmen des Bodensee Festivals 2025, das heuer unter dem Motto Freiheit stand, gab es an gleich zwei schönen Orten Kammermusik für Klarinette und Klavier. Anna Paulová Klarinette und Daniel Wiesner Klavier waren aus Prag angereist, um einmal im Barocksaal des Reichlin-Meldegg Hauses Überlingen und darauf im Salon des Hauses Rosenegg zu Kreuzlingen in der Schweiz Kompositionen gegenwärtiger Komponisten und von Klassikern wie Johannes Brahms und Bohuslav Martinu vorzutragen.
Beide Häuser sind Sitz von sehenswerten städtischen Kulturmuseen.

Zu Überlingen war das Konzert gar kombiniert mit einem kleinen Folgekonzert eines Jazz-Trios im idyllischen Garten des Reichlin Meldegg Hauses

(siehe den entsprechenden Beitrag in der Rubrik Parks und Gärten auf haute-culture-jdg.de)

In der Pause und danach konnte die in Überlingen erfreulich zahlreiche Zuhörerschaft sich gratis erquicken an feinen Weinen des Weinguts Kress, Mineralwasser und einer stärkenden Suppe.
Bevor es dann wieder auf teils musikalische Entdeckungs-Reise ging.

Denn es gab unter den aufgeführten Kammerstücken einige Uraufführungen von Kompositionen lebender Komponisten, von denen sogar zwei in den Konzerten anwesend waren. Nämlich Frédéric Bolli und Jiri Bezdek.
Zudem erklangen Stücke weiterer quicklebendiger Meister ihres Fachs, nämlich von Holmer Becker und von Karel Pexidr, die leider verhindert waren.
Beidesmal stand ein Bechstein-Flügel zur Disposition. In Kreuzlingen gar eine alte Variante in schönem dunkelbraunen Holz, statt schwarzlackiert, womöglich aus dem späten 19. Jahrhundert, also noch aus der Spätzeit von Johannes Brahms womit auch Fans des Originalklangs partiell auf ihre Kosten kommen mochten.
Aber zurück zum Programm und zu der Darbietung.

Eingangs stand Bohuslav Martinus Sonatine für Klarinette und Klavier in drei Sätzen. Martinu war ein Meister der tschechischen Moderne, dessen von den kriegerischen und gesellschaftlichen Wirren der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts teils beeinträchtigtes Leben in der Schweiz 1959 endete. Er wurde u.a. vom Basler Mäzen Paul Sacher gefördert.

Die Sonatine hebt an mit einem Moderato, das direkt in ein Allegro übergeht. Mit sattem Ton und Feingefühl gestalteten die Solisten ihre Parts darin, volle Akkorde auf dem Klavier wurden von den sanglichen Linien der Klarinette überstrahlt. Insbesondere im Andante gab es eine reizvolle poetische Zwiesprache der Solisten. Während das Finale mit böhmisch volkstümlicher Ekstase und straffen tänzerischen Rhythmen diese schillernde und flirrende und bisweilen kapriziöse Sonatine zu einem gelungenen Auftakt machte.

Kompakte bildhafte Akkorde standen in Holmer Beckers Moment Musical für Klavier sinnbildlich für, wie der Titel verlauten lässt, „Blütenfülle im Frühling- der Herbst im brokatnem Gewand“.
Teils war Beckers illustrativ bildhaftes Moment Musical auch von kontrapunktischer Dichte gekennzeichnet. Daniel Wiesner versetzte gekonnt in Holmer Beckers Stück Frühlings- und Herbstmomente auf den Tasten.

Jiri Bezdeks Suite Svoboda, was auf Tschechisch Freiheit heißt, bezieht sich auf den großen Aufstand gegen das kommunistische Regime im Prager Frühling von 1968. Übrigens spielte der damalige Präsident Ludvic Svoboda eine wichtige Rolle bei Verhandlungen mit den Besatzungstruppen des Warschauer Pakts, was .
in Bezug auf seinen Namen eine Ironie des Schicksals sein mag. Den ersten Satz Con anima eröffnen kantige Akkorde, die von der in hohen Lagen skandierenden Klarinette übersungen werden. Einen Dialog von Klarinette und Klavier postuliert der zweite Satz der Suite in einander verschlungenen Linien, teils wirkt der Dialog wie ein Accompagnato in welchem die Klarinette gleichsam gerahmt von den Klavierakkorden die Singstimme übernimmt. Changierend zwischen Klavier und Klarinette wechselt die energische Stretta, bevor der Schlusssatz Katharsis für einen ruhig wallenden Ausklang sorgt.

Frédéric Bollis Partisanen-Partita für Klarinette und Bass-Klarinette im Wechsel knüpft an einen alten Partisanen Gesang der französischen Résistance während des zweiten Weltkrieges an.
Und verarbeitet dieses marschartige Thema in recht burlesken Motiven. Wie aufbäumend und dunkel aufbrausend ist der Charakter des Partisanen, erst recht wenn die Solistin zur Bass-Klarinette wechselt. Teils wird es ein lustiger Marsch, teils gibt es rasche Läufe und helle Triller in der Klarinettenstimme bevor dann das Thema des Chant des Partisans witzig und hurtig wieder auftaucht und die ganze Komposition in ruhigem Tempo zu einem gelassenen Ausklang führt.

In Karel Pexidrs Solo-Stück für Klarinette „Begnügen wir uns mit einem Fragezeichen“, eine einsilbige Komposition, gelang Anna Paulova geradezu ein schelmisches Augenzwinkern mit der Klarinette mit flottem Verweilen auf einer Notensilbe.

Holmer Beckers Nocturno für Klarinette und Klavier wirkt wie eine Nachtskizze von kantabler Klarinette und feinperlenden Tastenspielen im steten Dialog und knüpft an die große Tradition der Klavier-Nocturnes von Frédéric Chopin und John Field an.

Johannes Brahms schrieb seine letzten Kammermusikwerke inspiriert von dem ausgezeichneten Klarinettisten der Meiniger Hofkapelle Richard Mühlfeld. Gleich zwei Sonaten für Klarinette und Klavier entstanden für Mühlfeld 1894. Beides sind reife Meisterwerke der Kammermusik. Die in Es-Dur erklang im Konzert.
Anna Paulová und Daniel Wiesner gaben hier ihr Bestes. Mit inniger Wärme wurde das Allegro Amabile von der Klarinette gesungen zu den wuchtigen Akkorden der Klavierbegleitung. Ein heiterer verklärter Dialog von Klarinette und Klavier entfaltete sich. Tänzerisch schreitend wurden das Allegro appassionato mit Kraft
und Eleganz bis ins Trio hinein ausgeformt.
Die Variationen des Andante con moto setzten einen poetischen Schluss des Belcanto für Klarinette und accompagnierendes Klavier und gaben somit ein gelungenes Finale zu einem Kammerkonzert der Extraklasse.

Jean B. de Grammont