Schütz und Mozart in der Wallfahrtskirche Birnau

In der wunderschönen Wallfahrtskirche Birnau am Bodensee, diesem von den Zisterziensern zu Salem gestifteten Rokoko Kleinod aus dem Dreiklang der Künste, namentlich von Architekt Peter Thumb und dem Freskenmaler Gottfried Bernhard Götz wie dem Bildhauer und Stukkateur Joseph Anton Feuchtmayer Soli Deo Gloria und per Glorificazione Sancta Maria Virgina Mitte des 18. Jahrhunderts geschaffen, ist auch die geistliche Musik zu Hause.

Wunderbar über dem Wasser des Sees in Weinbergen gelegen, ist das Rokoko-Juwel seit vielen Jahrzehnten Sitz der Birnauer Kantorei. Seit einem guten Dezennium leitet Thomas Gropper den 1966 von Klaus Reiners gegründeten Chor mit offensichtlichem Erfolg.

So gab es vergangenen Sonntag, dem 22. Juni, an einem leuchtenden Sommer-Tag neben schöner Aussicht und helleuchtenden Farben von Fresken und Stuckmarmor gleichsam himmlische Klänge von Heinrich Schütz und Wolfgang Amadeus Mozart.

Innen waren die Temperaturen moderat und dafür glühten die Klangfarben der Musik umso mehr.
Als Gastensemble waren Mitglieder des renommierten Alte Musik Orchesters L‘Arpa Festante geladen.

Zuerst erklangen Heinrich Schütz musikalische Exequien, eine Trauer-Musik 1636 komponiert auf den Tod von Fürst Heinrich Posthumus Reuss.
Der Fürst selbst hatte verschiedene Bibelverse wenige Jahre vor seinem Tod zusammen gestellt. Ein treffliches Muster für die ars moriendi des Frühbarock haben wir damit vor uns. Die Witwe seiner Durchlaucht gab bei Heinrich Schütz den Auftrag zur Komposition. Das Concert in Form einer Teutschen Begräbnis-Missa entstand für Soli, Chor (teils doppelchörig) und Generalbass.

Das lässt bereits an Johannes Brahms viel später entstandenes deutsches Requiem denken. Freilich hat Schütz Musik mit Brahms spätromantischer Version kaum Etwas gemeinsam. Außer das beide Werke zu ergreifen und zu berühren, wie zu trösten vermögen.

Über dem mit Truhenorgel, Theorbe und Viola da Gamba als Violone reichlich besetzten und vorzüglich grundierenden Basso-Continuo entfaltete sich ein Wechselspiel aus Chor und Solisten in herber Schönheit. Immer wieder überrascht Schütz Werk mit feinen Details und stetem Wechsel aus solistischen Passagen, aus Duos und Terzetten mit motettisch dicht gearbeiteten Chorblöcken, die auf Verständlichkeit des Wortes ausgelegt sind.

Schlank und plastisch modulierte der Chor das heraus. Ob nun je nach Textpassage mit seufzendem Gestus, ja gar schwebend und klagend, oder voller Vorfreude auf die Auferstehung mit aufschwingenden Figurationen.
Dazwischen die madrigalesken Soli, die den stilistischen Einfluss eines Claudio Monterverdi zeigen. Thomas Gropper, der eine profunde und prominente Gesangs-Ausbildung hat, u.a. bei Dietrich Fischer-Dieskau, führte den Reigen der Solisten aus dem Chor mit seiner feinen sonoren Bass-Stimme an. Und die Solistinnen und Solisten gestalteten ihre Partien mit Leuchtkraft und Ausdruck und gutem bis sehr gutem Können.

Unter ihnen die Sopranistinnen Irene Albrecht, Kerstin Engelhaupt, Katrin Furtwängler und Andrea Rüba. Die Altistin Sabine Schrenk. Die Tenöre Johannes Ganser und Martin Kirscht. Und zudem die Bassisten Axel Laternser, Eckhard Mack sowie Heinrich Stanecker.

Im zweiten Teil, der Concert-Motette „Herr, wenn ich nur Dich habe“ weitet sich der Satz zur Achtstimmigkeit. Ein Rede- und Antwort-Spiel in prächtigem Klang gipfelnd war das.

Im dritten Teil, dem Canticum Simeonis nun singen die Seraphim und die gesegnete Seele selbst in einem zauberhaft berührenden Terzett : „Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben“ zusammen mit dem Chor. Was eine eindringliche Wirkung hatte und Heinrich Schütz Meisterwerk emphatisch beschloss.

Hernach fügten die Instrumentalisten von L‘Arpa Festante eine vorzügliche Sonata da Camera für 2 Violinen und General-Bass des Schütz Schülers Johann Wilhelm Furchheim ein. Eine exquisite Trio-Kunst eingeleitet von einem kantabel klagenden Adagio mit Echo-Effekten und elegischen Sarabande wie Courante als einer Allemande und einem virtuos schweifendem Allegro und beschlossen von einer flotten Gigue, welche die Violinkunst des Frühbarock in glanzvolles Licht setzte.

Endlich gab Wolfgang Amadeus Mozarts Missa brevis in B Dur KV 275 dem Konzert einen festlich heiteren Abschluss. Eine kleine Missa ist das, für Chor und Soli, lediglich von ersten und zweiten Violinen begleitet und gegebenenfalls drei colla parte die Singstimmen begleitenden Posaunen.
Eine Messe, die Mozart selbst schätzte und vermutlich für die Liturgie im Salzburger Dom unter Fürstbischof Graf Colloredo 1777 komponierte.
Die beschwingte Rokoko Heiterkeit dieser Messe ist dermaßen ausgeprägt, dass man diese Messe im 19. Jahrhundert als Todsünde ansah und ihre Aufführung verbot.
Zum Glück denkt man heute anders darüber und erfreut sich dieser Kunst.

Lichtvoll und beschwingt setzte das Kyrie ein. In der Birnau genügten zwei Geigen und Generalbass und der Chor. Wie elegant und heiter flockig jubelte hier das Credo auf zu den Deckenfresken. Mit rhythmischer Delikatesse und schillernden Klangfarben. Im Credo gibt es insbesondere im Et incarnatus feine Soli und ergreifende Momente. Das Sanctus entfachte seine prächtige Wirkung während im Benedictus der Solo-Sopran molto cantabile glänzen konnte. Mit Dramatik und expressiver Harmonik im Agnus dei und schließlich in einem ungemein leichten und beschwingten, fast poppigen Dona nobis pacem, klang diese ungemein heitere Rokoko-Messe Mozarts aus und fügte sich ein in die Sinfonie aus Fresken und Stuck der Birnau, dass es eine echte Freude war.

Jean B. de Grammont