Die Wiener Symphoniker gastierten im Festspielhaus Baden-Baden mit Tschaikowskys Violinkonzert und Korngolds Sinfonietta. Es dirigierte die junge französische Dirigentin Marie Jacquot. Der griechische Geiger Leonidas Kavakos war der Solist bei Tschaikowsky.
Lang ist es her, dass ich die Wiener Symphoniker zuletzt live im Konzert erlebte. Das war um das Jahr 2000 herum in Wien im Konzerthaus. Diesem neben dem Musikverein prächtigsten Konzertsaal der Donaumetropole. Damals dirigierte der gut 90-jährige legendäre Kurt Sanderling das Konzert.
Ein unvergessener Abend großer Symphonik.
Das Wiener Orchester hat einen unvergleichlichen Edelsound, der sich vor den noch berühmteren Wiener Philharmonikern nicht zu verstecken braucht.
Das wurde mir in Baden-Baden aufs Neue bewusst. Doch zurück zum Konzert und Tschaikowskys Violinkonzert.
Der Violin-Virtuose Josef Kotek war nicht nur ein begabter Musiker, sondern zugleich Peter Tschaikowskys Freund und Geliebter. Auch beriet er den Komponisten natürlich bei der Ausarbeitung des Violinparts. Entstanden ist ein geniales Violinkonzert, das seitdem zu den Schlachtrössern der spätromantischen Literatur gehört. Wie die Konzerte von Brahms, von Bruch und von Dvorak.
Dabei lehnt sich Tschaikowsky in seiner Kompositionsweise an einen gewissen Neo-Rokoko-Stil an, der entfernt an Mozarts Violinkonzerte erinnert.
Der erste Satz ist eher lyrisch, ja zart und enthält einen langsamen Mittelteil. Kavakos ließ die Geige singen und jubilieren und führte sicher durch alle solistischen Skalen, eingebettet in den Orchesterklang.
Mit rhythmischer Verve und Finesse begleiteten die Wiener Symphoniker. Der melancholische langsame Satz verzauberte mit seiner Melancholie. Das vor Einfällen sprühende Finale gelang beglückend. Es bewies das Temperament der jungen Dirigentin wie auch des Virtuosen. Mit einem Siciliano aus einer der Sonaten Johann Sebastian Bachs für Violine allein glänzte Kavakos in seiner Zugabe.
Erich Wolfgang Korngold war ein junger Mann als Gustav Mahlers Sinfonien im Zenit standen und der Meister gerade verstorben war. Da schrieb Korngold seine erste Sinfonie. Das war die Sinfonietta für großes Orchester Opus 5. Ein Werk des erst 15-jährigen Wunderknaben. Mit allem "Spielzeug", das einem großen Orchester zur Verfügung steht, möchte der junge Korngold zeigen was er kann. Das ist ein heiteres Werk mit erfrischendem Sinn für Klangfarben. Der lustige Eingangs-Satz wurde markant vorgetragen. Bemerkenswert sind an dieser Sinfonie die wuchtigen Blechbläser-Einsätze. Ein frappanter Satz ist das Scherzo, welches die ganze Virtuosität der Wiener Symphoniker forderte. Ein elegischer Trauermarsch gab Raum für schön gezogene Linien. Endlich überraschte das Finale zwischen Pathos, Heiterkeit und Fugato-Kunst wechselnd und hinreißend vorgetragen.
Wienerischer konnte die Zugabe nicht sein, denn mit Johann Strauss Tritsch-Tratsch Polka zum Mitklatschen brachten die Symphoniker den ganzen Saal des Festspielhauses in fröhliche Wallung.
Jean B. de Grammont
copyright Andrea Kremper