Beginnen möchte ich meine Reihe an Park und Gartenporträts mit dem Schlossgarten von Bodman. Das ist ein Privat Garten, der bis heute Eigentum der Grafen-Familie derer von und zu Bodman ist. Öffentlich zugänglich ist ein Teil des Parks nur unter der Woche von April bis Ende Oktober. Eigentlich berichte ich gar nicht so gerne darüber, da es ein Geheimtipp ist. Aber da dieser sehr romantische und im englischen Geschmack angelegte Landschaftsgarten ohnehin eher klein ist und etwas von feinziselierter Kammermusik hat, dürfte der Park nur etwas für einen Kreis von Kennern und Eingeweiten sein.
Es ist ein Rückzugsort und das soll er nach Möglichkeit bleiben. Der großen Menge fehlt hier das Laute und das Knallige.
Es ist ein Garten, dessen Schönheiten und Farben im Lauf der Jahreszeiten man erst nach und nach entdecken darf, eingebettet in die Landschaft des Bodensees und die Waldberge des Bodan-Rücks. Nach 1800 begann man um das kleine barocke Schloss im Stile des Biedermeier Gärten anzulegen mit Blumenrabatten und kleinen Rasenflächen. Davon ist nichts erhalten.
Die Waldberge allerdings ziehen sich unmittelbar hinter dem Schloss von kleinen Tälern und Wiesen zerklüftet hin und geben dem ganzen Gelände einen Rahmen. Sie beschirmen regelrecht den Park von der Rückseite und sorgen für die große Ruhe in diesen Gefilden. Wie auch dazu beiträgt, dass es keine Durchgangsstraße gibt. Ursprünglich war der heutige Schlossgarten nur Zentrum einer riesigen Parkanlage von gut 800 Hektar. Graf Johann Franz ließ diesen Landschaftsgarten nach 1870 anlegen, der sich über einen großen Teil des Bodan- Rück erstreckte. Ein Wildgehege, verschiedene Pavillons und ein Lusthaus gehörten dazu. Der heutige Park und das Schloss liegen am Ortsrand nahe des Standorts der einstigen karolingischen Königs-Pfalz von Ludwig dem Frommen und Karl dem Dicken und der Pfarrkirche Peter und Paul.
Karl der Dicke war es übrigens, der die Weinreben nach Bodman brachte. Noch heute geben die Trauben des sogenannten Königsweingartens einen feinen Rot- und Weißwein, der in der gräflichen Schlosskellerei erworben werden kann. Also stoßen wir an, auf den wildromantischen Park zu Bodman.
Seit bald 40 Jahren ist mir dieser Schlossgarten vertraut. Unzählige Male habe ich ihn aufgesucht, dort Ruhe und Einkehr zu finden. Es ist ein idealer Ort für ausgesuchte Lektüre, ein Ort der Inspiration. Hier aquarellierte und zeichnete ich, schrieb selbst Gedichte und Erzählungen, hörte mit dem Discman ausgesuchte klassische und barocke Musik. Eines meiner Gedichte besingt den Park und beginnt also :„Im Land des Lichts, in südlichen Gefilden wähnt ein Wandrer sich in eines Parkes Grund“. Und insbesondere in dem zierlichen weiß gestrichenen Eisenpavillon, von zarten Kohlröslein freundlich umrankt, gab es in Gesellschaft oder allein so manch ein köstliches Picknick begleitet von Cremant Baron de Bodman oder von guten Weinen oder auch einfach einem feinen Apfelsaft aus der Region. Anbei duftete der Jasmin und Libellen wie Schmetterlinge gaukelten durch die Lüfte. Insofern haftet meiner Park-Betrachtung etwas sehr Persönliches an. Dieser Belvedere Pavillon des Parks ist vielleicht der schönste Punkt zum Verweilen.
Naht man sich dem Schloss, so schirmt ein weißer Holzzaun und eine Mauer das Areal ab. Durch zwei Portale und zwei Pforten kommt man auf den Pleasure Ground, der sich geometrisch angelegt um einen runden Springbrunnen den Hang hinunter zieht. Zwei Reihen von kegelförmigen Eiben säumen den Rasen zur Seite und exotische Büsche und Pflanzen. Ligusterhecken rahmen den Wiesenplan, der in Terrassen angelegt ist und somit den Abhang optisch in eine Ebene verwandelt. Dieses Parterre wurde erst unter Graf Johann Othmar nach 1926 in Stil französischer Barockgärten angelegt.
Dahinter leuchtet in freundlichem Roséton gestrichen das klassizistische Schloss von Johann Baptist Wehrle 1831 entworfen, einem Meister Schüler von Friedrich Weinbrenner. Der Mitteltrakt stammt noch aus dem Barock um 1760. Damals zog die Adels- Familie Bodman von Espasingen hierher.
Dreiecksgiebel begrenzen die Seitenflügel und auch im Dachgeschoss bekrönt ein Dreiecksgiebel die Mitte. Symmetrisch geordnete Fensterachsen mit weißgrauen Fensterläden beleben die Schloss-Fassade. Es mutet an wie ein Landsitz, nahezu inspiriert von Andrea Palladio, man fühlt sich als wäre man hier schon in Italien. Kurz nach 1900 erweiterte Emanuel von Seidel das Schloss um einen großen Gartenflügel.
Linker Hand geht es durch eine kleine Pforte in den eigentlichen Englischen Garten. Seine Anfänge hat der Schlossgarten bereits im 18. Jahrhundert erhalten. Nach 1870 plante man und erweiterte ihn im Stile der englischen Landschaftsgarten Kunst inspiriert von Peter Joseph Lennee und später in der Art der Gärten eines Fürsten Pückler. Dann wurde der Garten um 1874 nach Ratschlägen des renommierten Garten-Architekten und Fürstlich-Hohenzollern -Sigmaringischen Hofgärtners Heinrich Grube mitgestaltet, der auch in Sigmaringen den Prinzengarten für die Fürsten von Hohenzollern anlegte und der sogar in den Diensten des unglücklichen Kaisers von Mexiko stand aus dem Hause Habsburg. Johann August Zeller der Hausgärtner der Familie Bodman setzte diese Ideen um.
Eine Andentanne steht hier auf dem Wiesenplan nahe der Pforte und ein schmuckes Pförtnerhaus mit dem gräflichen Wappen. Auch Nussbäume und Mammutbäume, Eschen und Kiefern wie wunderschöne uralte Blutbuchen, die viel Schatten geben sind vorhanden. Natürlich darf der Gingko Biloba Baum nicht fehlen. Dieses fernöstliche Gewächs, dass durch Goethes Gedicht so berühmt geworden ist. Im Frühjahr blühen Magnolien, Koniferen, Steinbuchen, Tulpenbäme gibt es. Eiben, Atlaszedern und Sequoien kamen nach 1900 dazu. Auf schmalem, sich schlängelnden schattigen Pfad zwischen Rasenflächen geht es in das Innere des Parks, teils von Ziergräsern, Farnen und Schilfstängeln gerahmt. Links liegt ockerfarben das ehemalige Vogelhaus mit Dreiecksgiebel und später zu einem Lagergebäude erweitert. Freiherr Johann Sigmund ließ es um 1850 errichten.
Zahlreiche Hortensien blühen weiter oben an den Wiesenflächen im Sommer. Rechter Hand liegt nun das Schloss mit einer großen von toskanischen Säulen gerahmten Gartenterrasse, auf der ich schon einmal im Gespräch über die Bodman‘schen Familiensagen mit Wilderich Graf von und zu Bodman verweilte.
An der Wegkreuzung werfen je zwei riesige Blutbuchen und Mammutbäume Schatten. Wir gehen Linker Hand weiter und kommen an ein kleines Tal mit Bachlauf. Rechts ein kleiner Brunnen mit einem Maskeron. Zierbüsche und geschwungene Wege führen weiter den Hang zum Wald hinauf. Auf einmal gewahrt man eine schindelgedeckte Kapelle ganz aus Holz mit Fichtenrinde verkleidet mit einem Dachreiter für die Glocke über einem ganz kleinen Weiher auf einer Anhöhe gelegen.
Vor Jahrzehnten hing da noch eine Glocke, die man sogar mit einem Strang zum klingen bringen konnte. Eine in ein Kloster eingetretene Dame der Adels-Familie stiftete die Kapelle mit bunten Glasfenstern. Damit hat der kleine Park auch eine Art Einsiedelei. Oft ist man in diesem Garten tatsächlich alleine und übernimmt die Rolle des Einsiedlers. Freilich eher wie in meinem Fall eines genießenden Kultur affinen Eremiten. Einmal las ich Mörikes Idylle vom Bodensee hier im Schatten der Kapelle mit ihren wohlgesetzten Versen was sehr passt. Auf dem Weg zur Kapelle kommt man direkt auf diesen zierlichen Gartenpavillon zu, der oberhalb von Wein- und Obstgärten liegt und über die Gewächshäuser und Küchengärten des Schlosses den Blick auf den See und die gegenüberliegenden Sipplinger Berge freigibt. In der Ferne gewahrt man sogar den Turm der Rokoko Wallfahrtskirche Birnau. Hier macht der gekieste Weg einen großen Bogen um eine wilde Wiese, von Wald und Hecken gesäumt. Früher standen hier weiß gestrichene schöne Parkbänke.
Vom erhöhten Standpunkt aus schaut man auch herunter auf das Schloss und die anderen Parkebenen. Neben dem Pavillon erhebt sich eine große alte Platane. Davor steht links eine große über 20O Jahre alte gleichmäßig gewachsene Blutbuche zusammen mit Kastanien vor dem Berghang mit dichtem Laubwald, dahinter geht ein quellgespeister Bach zum Talgrund. An stillen Nachmittagen hört man nur sein Rieseln und den Gesang der Vögel aus den umliegenden Wäldern. Es ist ein Gefühl der Geborgenheit und des zu Hause Seins, dass sich in diesem Schlossgarten einstellt.
Gerne kehren wir immer wieder hierher zurück, wenn die Zeit einen Aufenthalt am Bodensee zulässt. Es ist ein Lebenselixier und ein Kraftort zumindest für kontemplative Menschen.
Dem Grafenhaus Bodman sei Dank für den prächtigen Schlossgarten.
Jean B. de Grammont