Das Label CPO ist bekanntlich gut für Neuentdeckungen. Das es selbst in der anscheinend bestens erforschten Musikgeschichte des 18. Jahrhunderts nach wie vor viel unbekanntes Repertoire gibt, dafür steht etwa der aus der neapolitanischen Schule stammende Tommaso Traetta. Dieser war ein Schüler Francesco Durantes gewesen und später komponierte Traetta vorwiegend Opern, aber auch Oratorien. Hauptsächlich war er in Venedig tätig und zeitweilig sogar Hofkomponist der Zarin Katharina der Großen in Petersburg.
Die neapolitanische Schule war insbesondere bekannt für ihre geschmeidige und elegante Musik, die wesentlich zur Entwicklung des klassischen Stils beitrug. Dieser Ton des vorklassischen Belcanto ist gegenwärtig in Traettas Oratorium Rex Salomon in zwei Teilen.
Ursprünglich komponiert 1766 für das Ospedaletto dei Derelitti in Venedig, dem Traetta als Musikdirektor vorstand.
Hier gab es, wie in dem durch Vivaldi bekannten Ospedale della Pieta, ein reines Frauen-Orchester und Chor. Venedig war berühmt für diese Waisenhäuser für junge Frauen und ihre überragenden Musikdarbietungen. Erstmals liegt dieses Oratorium nun in einer Einspielung vor, dank eines Mitschnitts der Festwochen Alter Musik Innsbruck 2023. Das Libretto zu König Salomon ist in lateinischer Sprache abgefasst und nach einer dreisätzigen Sinfonia geht es los mit kurzen Chorsätzen, ausgedehnten Arien, einem Duett und Accompagnato Rezitativen. Das Orchester Theresia in Streicherbesetzung, zwei füllende Waldhörner gesellen sich dazu, sorgt für erfrischenden Originalklang. Dank des exzellenten französischen Dirigenten und Cembalisten Christophe Rousset wird der richtige Tonfall dieser Musik bestens getroffen. Rousset dirigiert hier zugleich den Frauenchor Novo Canto. Ausschließlich hohe und mittlere Solostimmen geben den dramatis personae wie König Salomon, Suzanne Jerosme gelenkig leuchtender Sopran, Abiathar, Eleonora Belloci koloraturensicherer Auftritt und der Königin von Saba, von Marie-Eve Munger kristallklar gesungen, sowie Sadoc und Adon, von Grace Durhams feintimbrierten Mezzo-Sopran und Magdalena Plutas warmherzigen Alt, entsprechende Präsenz.
Wer die italienische vorklassische Musik aus der Zeit nach Vivaldi näher kennenlernen möchte, liegt hier genau richtig.
Eine Venedig Reise für die Ohren ist das, zurück in die letzten Jahrzehnte der stolzen Serenissima.
Jean B. de Grammont
