Kurpark von Bad Wildbad

Wo Natur und Kunst sich vereinen, das ist der grandiose Landschaftsgarten von Bad Wildbad.

Durchrauscht von dem Wildbach der Enz, legten die Grafen und späteren Herzöge und Könige von Württemberg hier ihre prägende Hand an, den Park im engen Talkessel gestalten zu lassen.

Das ist fürwahr gelungen bis auf den heutigen Tag. Dank auch der Stadt Bad Wildbad, welche die Anlagen pflegt.

Ludwig Uhlands berühmte Ballade vom Überfall in Wildbad bezogen auf eine Fehde der Grafen Eberstein und Wunnenstein mit Eberhard im Bart von Württemberg zu Urach spielt im 15. Jahrhundert.
Damals gab es bereits ein Bad um die Quelle für hohe Damen und Herren und ihr Gefolge. Allerdings wuchs zu diesen Zeiten dichter Tann an Stelle des Gartens und womöglich dienten ein paar Wiesenflächen zur Weide der Lämmer und Schafe. Just der dichte Wald ist es, wohin Graf Eberhard unbewaffnet samt einem treuen Hirten und kleinem Gefolge, der ihm sicheren Fluchtpfad zeigte, sich in Sicherheit bringen konnte vor den nahenden Kriegsknechten der Rotte der Eberstein und Wunnenstein.

Doch erst im späten 17. Jahrhundert ließ Herzog Ludwig Eberhard von Württemberg im Jahre 1699 eine Allee Kastanien anpflanzen, die aus dem Städtlein längs der Enz in die hoheitlichen Jagdgründe führte. Die stattlichen Felsriffe und großen Wurzeln von Kiefern und Tannen bezeugen noch heute die Wildheit des ursprünglichen Terrains.

Im 18.Jahrhundert kamen sukzessive Steintafeln zur Erinnerung an einen Besuch des Herzogs und kleine Monumente wie Obelisken hinzu, teils an erhobener Stelle auf einem Bergrücken, wie derjenige zu Ehren Herzog Carl Eugens errichtete. Gewiss kamen hinzu der ein oder andere Belvedere und verschiedene Brücken über die Enz, die aus Holz gewesen sein dürften und nur für Fußgänger, höchstens Reiter passierbar waren. Ebenso dürfte ein Wege-Netz angelegt worden sein.

Die große Zeit des Parks kam vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Im Ort baute Friedrich von Thouret die wunderbare Therme gegen 1850 im byzantinischen Stil. Gleichzeitig entwarf Thouret einen runden römischen Brunnen für den Platz vor dem königlichen Schloss (heute Bad Hotel Mokni).

Der Brunnen findet sich indes nahe der neugotischen anglikanischen Kirche, die ebenfalls aus den 1860iger Jahren datiert entworfen von Ferdinand von Beyer und ab da den Park als Architektur bereichert.
Hinzu kamen Pavillons im Schweizer Stil, einer ist erhalten und verrottet auf der Höhe vor sich hin. So dass dieser schöne Belvedere nur ein trauriges Relikt früherer Gartenfreuden ist.

Ein Gedenkstein auf den Dichter Ludwig Uhland wurde später auf einem der Höhenwege gesetzt.

Erst in den 1920igern kam auf der Anhöhe des Kurhauses ein Rosenspalier um einen Brunnen hinzu.
Hierher verbrachte man auch weiße Marmorstatuen der Ceres wie der Venus und von Prometheus und Ikarus.
Ursprünglich standen diese klassischen Skulpturen von der Hand des nach Rom ausgewanderten, auch von Großherzog Friedrich von Baden geförderten und von Arnold Böcklin konterfeiten, Bildhauers Josef von Kopf am neuen Schloss in Stuttgart. Königin Olga hatte sie in Auftrag gegeben. Das nun Ikarus samt Gefolge hierher „geflogen“ ist, würde Königin Olga wohl gefallen, denn trefflich fügen sie sich ein in den Gartengrund.

Desgleichen pflanzte man viele exotische Bäume aus der Wilhelma hier an, wie riesige Mammut-Bäume und Blutbuchen, Zedern und Eiben und Kastanien etc. Malerisch bezog man die Felsriffe mit ein in die Komposition des Landschaftsgartens mit einem Wechsel von Wiesenflächen, Buschwerk und Baumgruppen.

Später kam auf der Anhöhe ein Pavillon im orientalischen Stil hinzu mit einer dekorativen Goldkuppel und einem Sternengewölbe. Unweit reckt eine riesige mehrstämmige Buche ihre Äste gen Himmel.

Auch ein kleiner Weiher wurde angelegt. Schwarze Schwäne wie unzählige Enten und andere exotische Vögel sind heute auf dem Wasser zu finden wie in Volieren untergebracht.
Verschiedene Gartenhütten in Holzbauweise und die Staffagebauten einer Schwarzwaldmühle erinnern an den nostalgischen Stil des 19. Jahrhunderts.

Bemerkenswert ist vor allem das Königliche Kurtheater aus den 1860iger Jahren und später erweitert gegen 1900 von Albert von Beger , außen im Schweizer Stil, innen feinste Neo-Renaissance, das seinerseits am Parkeingang Akzente setzt. Wozu später um 1877 die neugotische katholische St. Bonifatius-Kirche des Baumeisters Georg von Morlock für die zahlreichen Gäste dieses Glaubens und die neue Trinkhalle aus den 1930iger Jahren weitere markante Architekturen stellte und den Eingang in den oberen Teil des Gartens festlich erhöht. Der Baumeister von Morlock war durchaus bedeutend und an der Vollendung des Ulmer Münsters beteiligt.
Heute sorgen Zitronen-Bäumchen in großen Terrakotta Kübeln für eine gewisse Italianitá.

Oberhalb gegenüber auf der Höhe wurde um 1920 ein höchst eleganter Lesesaal im Stil des Art Deco angelegt. Heute nach jahrelanger Nutzung als Kunsttöpferei findet sich darin ein Festraum des Standesamtes.

Wer auf den Wegen wandert, erlebt unterschiedliche Perspektiven und Blickachsen und wird stets vom Rauschen der Enz und im Sommer von einem Grillenkonzert begleitet.

Bedauerlich ist, das das alte Schützenhaus aus dem 19. Jahrhundert mitten im Garten vor sich hinverfällt.

In den 1970iger Jahren wurden ein paar Aussichtskanzeln aus Beton auf die Felsen gesetzt und Treppen angelegt. Über diesen Geschmack lässt sich streiten wie über die Urinale von Marcel Duchamp. Desgleichen wurde ein Stück an der Enz mit wenig attraktiven Waschbeton-Platten befestigt. Dennoch ist es ein angenehmer Ort für ein Picknick nebst Fußbad und im Anschluss einer guten Cigarre.

Der Kurgarten von Wildbad bleibt ein Ort der Rekreation mit hoher Luftqualität. Wer hier schon alles lustwandelte ist bemerkenswert. Unter den Musikern waren es Clara Schumann und Gioachino Rossini. Unter den Dichtern Ludwig Uhland und Friedrich von Matthisson sowie Justinus Kerner, der eine Zeit lang zu Wildbad Badearzt war.

Ob es nun die bereits genannten Herzöge von Württemberg waren und später König
Wilhelm I von Württemberg, sowie dann vor allem König Karl und seine Gemahlin Olga, eine geborene Romanowa und russische Großfürstin, die uns heute im überaus anmutigen und dekorativen Porträt des Malers Franz Xaver Winterhalter begegnet.
Auch Königin Emma der Niederlande und zahlreiche andere vornehme Damen und Herren lustwandelten hier, wie etwa Generalfeldmarschall Friedrich von Moltke.

In stillen Momenten kann es mitunter sein, dass deren Geister wieder auftauchen. Zumindest wenn Verse des Geistersehers Justinus Kerner gesprochen werden oder nach ein paar Flaschen Champagner. Mit etwas Fantasie können wir uns zurück versetzen in diese Zeit und was war das gerade eben, pfiff da nicht eine vorbeiziehende Gestalt, eine merkwürdige Rokoko-Figur nach eigenem Bekunden eine Melodie, die nach Rossini klang und war schon wieder verschwunden im Gang der Zeit und Ewigkeit. Husch, Husch..,und da reitet plötzlich ein Jäger auf schwindelnden Höhen. Es wird doch nicht der dichtende Graf Alexander von Württemberg sein, der Freund Justinus Kerners zu Weinsberg? Derselbe Graf verstarb 1844 in Wildbad.

Ihr naht Euch wieder schwankende Gestalten.., nein Goethe war nicht hier, auch wenn es eine Villa Goethe gibt. Aber an Stellen wo heute Schafe weiden, fühlt man sich dann fast nach Arkadien versetzt und möchte ausrufen: Et in Arcadia ego.

Also auf in den wildromantischen Kurpark nach Wildbad! Eine Mondschein-Elegie Friedrich von Matthissons im Gepäck oder eine Belcanto Arie Rossinis auf den Lippen oder im Disc-Man.
Dazu noch die passende Bouteille Wein, es darf ein Württemberger sein, ausnahmsweise selbst ein Badischer Wein, zum frugalen Picknick an der Enz und hernach eine gute Cigarre, wie oben bereits erwähnt, so lässt es sich hier lustig leben.

Jean B. de Grammont

Gewidmet dem Kunstkenner
aus dem Haus Württemberg

Herzog Philipp von Württemberg