Telemann 6 Orchesterouvertüren von 1736

Neben den drei Orchestersuiten aus der Musique de table von 1733 publizierte Telemann sogar eine weitere Folge an Ouvertürensuiten im Notenstich in seinem eigenen Verlag im Jahr 1736. Das einzige erhaltene Exemplar wurde erst 1999 in der Staatsbibliothek Moskau wieder entdeckt. Irgendwie fällt diese feine Sammlung offensichtlich in den Schatten der Tafelmusik und der Pariser Quartette. Denn bislang gab es lediglich eine einzige verdienstvolle Gesamtaufnahme von 2010 mit dem russischen Barockorchester Pratum Integrum unter Leitung von Pavel Serbin beim Label Caro Mitis.

Wahrscheinlich hatte Telemann diese Ouvertüren im Reisegepäck als er 1737 zu seiner Reise nach Paris aufbrach. Und wohl wurden diese Orchesterwerke in Paris immer wieder gespielt neben seiner Musique de table und anderen Werken.

Nun hat das L‘Orfeo Barockorchester unter Leitung von Carin van Heerden beim Entdeckerlabel CPO die zweite Gesamtaufnahme vorgelegt. Eine anmutige Allegorie der Musik von Francois Boucher zeigt das Titelcover und das passt gut. Das L‘Orfeo Barockorchester spielt mit Finesse und Schwung und sehr feingeschliffenen Details. Zwar ist der Streicherapparat mit nur 5 Violinen, 2 Violen, einem Cello und einer Violone etwas dünn besetzt. Da gefällt der größere Apparat beim Pratum Integrum Orchester besser. Dafür aber sorgen bei L‘Orfeo zusätzlich Flauti dolci in einigen Sätzen und teils von den Oboen und Fagott ausgeführte Solopassagen zusätzlich zu den Streichern für mehr Farbigkeit und Abwechslung und damit folgt die Aufnahme einer im Barock gängigen Aufführungsweise größerer Hofkapellen.

Ein Wermutstropfen ist allerdings, dass die Mittelteile der eröffnenden französischen Ouvertüren nicht wiederholt werden. Auch sind die Sarabanden und Loures etwas rasch geraten. Bei Aufnahme aller Wiederholungen vor allem der Mittelteile der Ouvertüren wären eben zwei CDs notwendig geworden.

Immer wieder erstaunt die Vielfalt der Tanztypen darin. Und drei der Ouvertüren prunken mit klangvollen Waldhörnern, welche einzelne Motive und Themen fortspinnen und den Orchestersatz klanglich bereichern, ohne solistisch groß hervorzutreten.

Teils gibt es Charakterstücke wie les Gladiateurs , les Querelleurs oder eine pastorale Musette und eine Harlequinade, teils muten diese Sätze an wie entsprechende Szenen von Antoine Watteau oder Boucher und Lancret in Töne übersetzt. Die Nähe zu Rameau und Couperin ist allenthalben zu spüren. Ebenso dürften die Variationsfinalsätze wie u.a. eine Passacaille und eine Chaconne im Paris des 18. Jahrhunderts den Geschmack der Connaisseurs getroffen haben.

Es ist auf jeden Fall abwechslungsreiche, sehr einfallsreiche und gehaltvolle Orchestermusik des Spät-Barock, die in jeden CD Schrank von Menschen gehört, die von der schönen Krankheit der Melomanie „geplagt“ sind. Und für Telemann Fans ist diese CD ein Must have.
Jean B. de Grammont