Franz Schubert hatte viele Überväter, darunter Haydn und Mozart und in direkter Nachbarschaft Beethoven. Noch schlimmer war sein leiblicher Vater. Er litt schrecklich unter diesen Vätern, insbesondere dem eigenen.
Dass er trotzdem solch wunderbare Musik schreiben konnte und sich die drei Komponisten Überväter kreativ anverwandelte grenzt an ein Wunder.
Bei Darbringhaus und Grimm sind sämtliche Streichquartette und das große Quintett, zudem das Forellen-Quintett mit Fortepiano einschließlich aller Fragmente und Skizzen mit dem Leipziger Streichquartett in großartiger Weise aufgenommen worden, so dass alle Streichquartette nun einen Übervater des Quartett-Spiels im Nacken haben werden. Vollständiger geht es nicht auf insgesamt 10 CDs in einer Box!
Bevor man die wissenschaftliche Literatur zu Schubert mühsam durchforstet und vor lauter Gähnen schließlich einschläft, lese man lieber Peter Härtlings Schubert Roman.
Darin ist auch von Schuberts leiblichem Vater wenig Erbauliches zu lesen.
Ich hatte das Glück, Peter Härtling noch persönlich zu kennen und erinnere mich gerne wie wir beim Wein in froher privater Runde über Eduard Mörike etc. sprachen.
Auch las Härtling eines meiner Manuskripte mit Wohlwollen, das nach wie vor einen Verlag sucht.
Oder man schmökere in dem entzückenden Insel-Bändchen zu Schubert in dessen eigenen Briefen und Poesien.
Bemerkenswert ist vor allem der feine Tonfall des Leipziger Streichquartetts, wie hier jede Note und jede Phrase herausmodelliert wird. Mit warmem Timbre und klarer Linienführung.
Das kommt so berühmten Quartetten zu Gute, wie dem mit dem Zitat der Liedvertonung von Schubert über das Matthias Claudius Gedicht Der Tod und das Mädchen, wie auch seinem letzten Streichquartett, mit dem die Serie beginnt.
Die Pizzikati pochen hier und das Cello singt herrlich.
Und wenn die Fragmente jäh abbrechen, fragt man sich, warum es nicht weiter geht und bedauert, dass Schubert nicht weiter kam.
Oft bieten gerade die Fragmente Ansätze zu neuer kühner Musik. Die krassen Tremoli und Dissonanzen, das Aufgewühlte romantischen Ausdrucks, überhaupt das Ringen um Ausdruck.
Wunderbar ist insbesondere das große Quintett gelungen. Michael Sanderling Violoncello kommt hinzu und verstärkt das Quartett von Andreas Seidel und Tilman Büning Violinen, Ivo Bauer, Viola und Mathhias Moosdorf Violoncello.
Der traumhafte langsame Mittelsatz berührt hier ungemein. Überhaupt hat dieses Quintett etwas Orchestrales.
Die früheren Streichquartette sind noch eng an Haydn und Mozart angelehnt, dennoch kommt immer wieder der typische Tonfall eines Schubert heraus und sie wurden bekanntlich erstmals im engsten Familienkreis der Schuberts aufgeführt.
Beim berühmten Forellenquintett mit seinen Variationen über das Lied die Forelle nach einem Gedicht von Friedrich Daniel Schubart tritt zum Streich-Trio Christian Ockert Kontrabass und vor allem Pianist Christian Zacharias am großen Steinway Flügel von 1901 und lässt die Wellen musikalisch funkeln. Ein klarer und zugleich subtiler Anschlag kennzeichnet Zacharias Klavierspiel. Die erfreulich heiteren Melodien dieses divertierenden Grand-Quintetts mischen sich wunderbar mit dem Flügel.
Dann schließt sich das anmutige Streich-Trio in der Nachfolge Mozarts an mitsamt einem Fragment.
Es ist wohl eine der besten Gesamt-Aufnahmen überhaupt. Für Schubert Fans ein Muss und für andere birgt diese Aufnahme Suchtpotenzial, die sie zu Schubert Begeisterten machen kann.
Jean B. de Grammont