Fotocredit HG M. HaddekDie vier großen B. standen auf dem Programm des Klavier-Recitals der Pianistin Helene Grimaud im Festspielhaus Baden-Baden, nämlich Beethoven, Brahms und Johann Sebastian Bach, letzterer in einer Adaption Ferruccio Busonis. Helene Grimaud ist zweifellos eine Meisterin, die Poesie und Temperament auf dem Klavier zu verbinden weiß.
Eher bescheiden im Auftritt, in einem Pailletten Jabot saß Helene Grimaud am Steinway diesen Abend von zwei großen Schlossvasen mit üppigem Blumenbuketts voller Farben umrahmt. Diese Farben der Blumen übertrugen sich gleichsam auf ihre Interpretation der gebotenen Werke. Beethovens späte Sonate in warm leuchtenden E-Dur Opus109 ist ein Muster unkonventioneller Kompositionskunst mit zerklüfteter Struktur und einem ausufernden Variationen -Finale.
Die Eröffnung der Sonate hat etwas Fantastisches und geht direkt in ein kurzes expressives Adagio über. Grimaud modulierte die Struktur und die Klangfarben wunderbar heraus. Zeigte sich innig im Adagio und mit virtuosen Händen im vorüber huschenden Prestissimo, das quasi wie ein eingeschobenes Scherzo dieser Piece symphonische Dimensionen verleiht. Hauptakzent aber war das große Andante molto cantabile mit seinen sechs Variationen. Hier konnte Grimaud alle pianistischen Fähigkeiten, die ihr zur eigen sind, ausgiebig zeigen. Ob im innigen Gesang oder in zupackenden Läufen, immer brillierte sie.
Johannes Brahms späte Intermezzi und seine sieben Fantasien unterteilt in Capricci und Intermezzi stehen irgendwo zwischen Fantasie und Sonate wie frei erfundenem Charakterstück. Hier ging der alte Brahms ganz neue Wege und zeigte sich introvertiert bis virtuos fantastisch, teils bezog er Elemente der schottischen Volksmusik mit ein. In den intermezzi Opus 117 zeigte sich Helene Grimaud mehr von der melancholisch-poetischen Seite. Während sie in den sieben Charakterstücken Opus 116 weit ausholen konnte mit all den ihr eigenen Tastenkünsten, damit eine sehr überzeugende Deutung des späten Brahms darlegte.
Was aber könnte nicht ein Konzert besser krönen als Johann Sebastian Bach Ciaconna aus der Partita für Violine solo Nummer 2 in d-Moll in einer Adaption für Feruccio Busonis für den großen Flügel. Busoni erweiterte die Doppelgriffe der feinen Violinstimme um zusätzliche wuchtige pianistische Akkorde. Hier brachte die Pianistin das ganze Festspielhaus über ihre Tasten zum Klingen, zeigte die ganze Klangpracht des Steinway. Wie eine Klammer war das in dem klugen Programm, denn auch die Ciaconna ist eine Variations-Satz über einen durchlaufenden Bass. Und somit eine Parallele zu Beethoves Finale der späten E-Dur Sonate für den Hammerflügel. Busoni selbst schrieb in seinem Entwurf einer „neuen Ästhetik der Tonkunst“ über Johann Sebastian Bachs Ciaconna „die Millionen Weisen, die einst ertönen werden, sie sind seit Anfang vorhanden, bereit, sie schweben im Äther, ihr braucht nur zu greifen und haltet eine Blüte, einen Hauch des Meeres Atems einen Sonnenstrahl in der Hand“. Also war es auch hier. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen, so gestaltete Helene Grimaud eine Sternstunde der Tastenmusik.
Jean B. de Grammont