Wie könnte man auch an Heinrich Schütz, dem Vater der deutschen Barockmusik vorbeigehen?
Ricarda Huch bereits widmete Heinrich Schütz in ihrer bei Manesse exquisit verlegten exzellenten deutschen Geschichte ein großes Kapitel als eben dem großen Meister, der die Musik über die Unbilden des 30jährigen Krieges gerettet hat. Oder man lese die große meisterhafte Biografie von Martin Gregor Dellin und daneben viele andere musikwissenschaftliche Studien, sofern man sich fachlich vertiefen möchte. Es lohnt in jedem Fall Schütz zu entdecken. Schütz ist weit mehr wie eine „rudimentäre Vorform von Johann Sebastian Bach“, wie es Theodor W. Adorno in seiner unübertroffenen Arroganz formulierte.
Vor langer Zeit hatte ich auf der Rückfahrt von den Telemann Festtagen Gelegenheit einmal Weißenfels zu besuchen und das dortige letzte Wohnhaus des Komponisten, das längst in ein Museum verwandelt wurde.
Damals sanierte man das unter dem Dach gelegene Arbeitszimmer mit großer Dachgaube und ich stieg mit dem freundlichen ehemaligen Landrat des Kreises über die Bretter der Baustelle im Rahmen einer Privatführung an einem Montag und da es gegen Ende März war, blühten bereits ein paar Sträucher im Garten unten. Es war ein besonderes Erlebnis dieses Haus und seine Ausstellung zu erleben.
Beim Label CPO kommt Heinrich Schütz nicht zu kurz. Im allgemeinen Musikleben freilich schon, außer auf speziellen Festivals und teils bei ambitionierten Kantoreien. Schließlich braucht es ein adäquates Instrumentarium und wirklich geschulte Chöre, um der Musik von Heinrich Schütz wirklich gerecht zu werden. Zum Glück aber gibt es ja Tonträger.
Heinrich Schütz komponierte nicht allein geistliche Musik, sondern zudem weltliche Madrigale wie etwa das wunderbare Primo libro di Madrigali nach seiner Lehrzeit bei Giovanni Gabrieli in Venedig und vor allem die erste deutsche Oper DAFNE zu einer Fürstenhochzeit im Schloss zu Torgau im Jahre 1627 auf ein Libretto des bedeutenden Dichters Martin Opitz. Ausgerechnet die Musik dazu ist nicht erhalten geblieben!
Manche Schützforscher meinen allerdings, es wäre nur ein Schauspiel gewesen mit ein paar Musikeinlagen. Das scheint indes weniger wahrscheinlich, zumal die komplette sächsische Hofkapelle samt Sängern vor Ort war.
Dieser Meinung ist auch Roland Wilson, der sich daran gemacht hat, die Schütz Oper mit Musik aus anderen weltlichen Schütz-Werken und Stücken seiner Zeitgenossen zu rekonstruieren. Ein wirklich tollkühnes Unterfangen!
Freilich ist das nicht die DAFNE von Schütz, die wir hier hören. Aber das Ergebnis klingt insgesamt schlüssig und lohnt das Anhören allemal. Als klangprächtige Intrada steht eine Komposition von Samuel Scheidt voran, bevor Ovid den Prolog bestreitet. Die Rezitative folgen der italienischen von Gagliano ursprünglich vertonten Textvorlage, der eine Dichtung von Martin Opitz zu Grunde liegt und Gaglianos Rezitative werden hier ins Deutsche übertragen. Eventuell hat Schütz selbst auf Gagliano zurück gegriffen. Apoll kämpft gegen einen Drachen und hilft damit den Hirten, die ihn feiern. Seine Auftritts-Arie geht auf eine Schütz Bearbeitung eines Monterverdi Madrigals zurück.
Dann kommen Cupido und Venus ins Spiel und bald ist Apoll in Versuchung durch die schöne Nymphe DAFNE. Wir kennen die Geschichte aus den Metarmorphosen des Ovid. Um sich dem zudringlichen Apoll zu entziehen verwandelt sich DAFNE in einen Lorbeer-Baum. Ein Lamento Apolls nach einer Musik von Allessandro Grandi lässt aufhorchen. Ferner sind weitere Schütz Werke eingewoben und einige Ritornelle Bagio Marinis. La Capella Ducale sorgt zusammen mit Musica Fiata unter Roland Wilsons Leitung für eine stilgerechte Darbietung dieser Rekonstruktion der Dafne. Der feinsinnige Tenor Tobias Hunger singt Apoll, die berückenden Soprane Marie Luise Werneburg Dafne, Magdalena Podkoscielna Venus, Magdalena Harrer Cupido. Mit Georg Poplutz als Ovid und Hirte sowie dem Altus David Erler wie dem Bass Joachim Höchbauer stehen weitere Könner ihres Fachs zur Disposition. Es gibt wahre Hör-und Entdeckerfreuden und man vermeint bisweilen der echten DAFNE zu lauschen.
Echten Schütz bekommen wir ebenfalls mit Roland Wilson und La Capella Ducale und Musica Fiata auf der Doppel-CD mit dessen letzem großen Vokalwerk dem Schwanengesang, einer Vertonung des 119 Psalms und des 100 Psalms wie des Deutschen Magnificats zu hören.
Auf elf doppelchörige Gesänge verteilt zeigt hier Heinrich Schütz am Ende seines Lebens was er als sein Vermächtnis ansieht. Mit seiner ganzen Meisterschaft gelingt Schütz die Vertonung dieses Psalms und der anderen Stücke. Mit viel Ausdruck gelingt eine würdige und klangschöne Darbietung des Schwanengesangs, der wärmstens empfohlen werden kann. Für Liebhaber der Musik des 17. Jahrhunderts ein echtes must have!
Jean B.de Grammont