Endlich hat das Label CPO seine Edition sämtlicher Violinkonzerte und konzertanten Suiten mit Streicherbegleitung (teils mit obligaten Oboen) Telemanns komplett vorgelegt mit Vol. 9, was im August 2025 erscheint.
Es war ein langer Weg, der zusammen mit der Wallfisch Band und dem L‘Orfeo Barockorchester zurück gelegt wurde. Elisabeth Wallfisch an der Barock-Violine hatte das Gros beschritten.
Nun im letzten Album übernehmen Julia Huber und Martin Jopp die Solo-Partien.
Vorwiegend interessante Doppel-Konzerte aus Telemanns früher Eisenacher Zeit sind enthalten, die Telemann für sich und den ersten Geiger der Hofkapelle Pantaleon Hebenstreit im Wettstreit schrieb.
Hebenstreit war zudem sein Schwiegervater und nur unter Zuhilfenahme von Salben mit denen Telemann seine Handnerven beschmierte,
wie uns der Komponist in seiner ersten Autobiografie schildert, sah er sich gewachsen Pantaleon das Wasser zu reichen.
Stücke voller Italianità zwischen Vivaldi und Corelli sind dabei entstanden, teils mit dem Feuer des experimentellen jungen Telemann durchdrungen.
Jedes Stück ist sehr individuell gestaltet, das in kein Schema passt. Die Concerti sind virtuos, aber keine Zirkusnummern. Aber kein geringerer wie Johann Georg Pisendel adaptierte einige später für die Dresdener Hofkapelle.
Hinzu kommt das bekannte Viola-Konzert und ein Concerto für Ripieno-Streicher.
Mit einer Fanfare mit schmetternden Violinen beginnt das Concerto-Grosso-artige Doppelkonzert in D, um abrupt in ein kurzes harmonisch gut gewürztes Adagio überzulaufen, darauf ein eleganter Konzertsatz, dann ein lamentoses Adagio mit seufzenden Violinduett und einem Kehraus ganz à La Corelli mit laufenden Bässen zu doppelgriffigen Geigen-Skalen. Beide Solisten machen ihre Sache exzellent und lassen die Darmsaiten ihrer Barockviolinen funkeln. Es dürfte die erste Aufnahme dieses Concerto sein.
Chapeau Monsieur Telemann wie sie den Stil des großen Römers nach Deutschland importiert und mit der eigenen Raffinesse umkleidet haben.
Das L‘Orfeo Barockorchester in reiner Streicherbesetzung mit Cembalo macht seine Sache gut unter dem Dirigat von Carin van Heerden.
Besonders gelungen sind die beiden dreisätzigen Doppelkonzerte. Das erste in A beglückt mit einer lebhaften Eröffnung die von Einfällen und virtuosen Läufen der beiden Solo-Geigen überquillt. Der langsame Satz pendelt in seufzenden Melodien der duettierenden Geigen über einem Ostinato-Bass. Während das Finale aus blitzenden kontrapunktischen Ritornellen und dichtgewebten Duetten der flinken Geigen belebt wird. Johann Sebastian Bach hätte das gefallen und wir dürfen sicher gehen, dass er von Telemanns Doppelkonzerten bei seinem Doppel Violin-Concerto beeinflusst wurde.
Einfach fabelhaft gelingt es den Solisten hier.
Es dürfte ebenfalls die erste Einspielung überhaupt sein.
Das Doppelkonzert in C beginnt in Form einer großen Da-capo Arie wie Johann Sebastian Bachs Violinkonzert in E, ein wunderbar die Geigen singen und klagen lassendes Adagio schließt sich an, um endlich in einer Art Giga mit wirbelnden Soli zu münden.
Grazie Signore Telemann sie haben Antonio Vivaldis Concerti eigenes Kolorit gegeben. Von diesem Concerto gab es bereits Aufnahmen.
Desgleichen von dem sehr ausdrucksvollen Doppelkonzert in g-Moll, das satztechnisch an eine Triosonate mit zusätzlichen Streichern erinnert. Irgendeine alte Supraphon Aufnahme mit einem böhmischen Orchester machte mich damit bekannt. Es bietet großartige Dialoge der Geigen im pochenden ersten Satz im pulsierenden Allegro im klagenden kanonischen Lamento in Trio-Form und Endlich in einem lebhaften Kehraus.
Dann gibt es vielleicht Telemanns erstes Solo-Concerto für Violine in G-Dur zu hören. Julia Huber gestaltet ausdrucksvoll und mit Verve.
Ein pendelndes Andante, mit zirkelnden Streichermotiven zu denen die Violine eine Cavatine singt. Ein virtuoser Konzertsatz. Ein Lamento über dem Generalbass und endlich ein Presto in welchem Telemann Schwiegervater Hebenstreit zeigen möchte was er gelernt hat. Schau her Pantaleon, der Georg Philipp kann die Violine spielen mit Doppelgriffen und Arpeggien samt Bariolage brennt hier ein heiteres und witziges Finale ab, das kurz vor dem Schluss merkwürdig stockt, wie eine barocke Caprice.
Im bekannten Bratschen-Konzert in G versteht Solist Lucas Schurig-Breuss seinen Soli Klangschönheit und in der wunderschönen Sarabande des ersten Largo entsprechende Verzierungen anzubringen wie sie Telemann in seinen methodischen Sonaten empfohlen hat.
Und das Streicherkonzert in e-Moll zeigt was Telemann mit einfachen Mitteln machen kann.
Ein abwechslungsreicher Eröffnungssatz.
Ein wundervolles kurzes Cantabile über einem Ostinato Bass, das dermaßen schlicht und kunstvoll nicht einmal den Freunden Händel und Bach gelingen mochte und ein Kehraus der etwas von Champagner im Glas hat. Vive Grand-Maître Telemann!
Jean B. de Grammont