Kammermusik im Rosenegg

 


In dem einstigen repräsentativen Rokoko-Palais Rosenegg der Weinhändler Familie Johann Jakob Bächler mit seiner Schaufassade von 1785 in Kreuzlingen im Kanton Thurgau ist heute die Kultur zu Hause. Im Rahmen des Bodensee-Festivals gastierten die tschechischen Musiker Jan Ostry Flöte und Lukas Klansky Klavier mit Kammermusik von Johann Sebastian Bach bis Franz Schubert. Dazwischen gab es aber mehrere Aufführungen Musik zeitgenössischer Komponisten der Moderne, von denen drei im Konzert anwesend waren, außerdem Stücke von Claude Debussy.
In der intimen Atmosphäre des großen Salons mit schöner Stuckdecke und allegorischen Darstellungen der Erdteile klingt Kammermusik allemal gut.
Ein dunkelnussbrauner Bechsteinflügel des späten 19. Jahrhunderts wurde unter Klanskys Händen quasi zum Cembalo in der vorzüglichen A-Dur Sonate Johann Sebastian Bachs für Flute traversiere und obligates Clavecin BWV 1032. Dieses Stück geht ursprünglich auf einen Trio Satz zurück, die Sonate entstand wohl zum Divertissement im Zimmermann’schen Kaffeehaus zu Leipzig nach 1721 für den Dresdner Hof Flötisten Buffardin. Die Sonate weist durchaus Elemente des galanten Stils auf und beeindruckt in ihrer Eleganz und melodischen Schönheit. Die beiden tschechischen Virtuosen gaben das Stück vollplastisch und mit kräftigen Klangfarben, ohne die Feinheit der kontrapunktischen Lineaturen zu vernachlässigen.
Das hurtige Vivace, das zarte Largo e dolce und das tänzerisch muntere Allegro erklangen hier sehr schlüssig und rund, freilich mit moderner Querflöte.
Mit dem Komponisten Gottfried Müller, verstorben 1993, einer der Lehrer des Komponisten Holmer Becker wurde der Sprung in das 20. Jahrhundert gewagt. Müllers Cadenza für Flöte Solo ist ein freischwebendes Stück von rhapsodischen Charakter, das Jan Ostry mit schönem Ton zum besten gab. Die klassische Moderne fügte sich dem Barock eines Johann Sebastian Bach gut an.
Holmer Beckers Impromptu, Arabeske und Fantasie für Flöte und Klavier beginnt elegisch, wird mit einem Fugato fortgesetzt, enthält arabeske Ornamentik in orientalisch rhythmisch oszillierenden Läufen, schließt endlich überraschend in freien Formen. Ein durchaus reizvolles Stück, das hier trefflich interpretiert wurde.
Daraufhin konnte Lukas Klansky ganz in den impressionistischen Klangfarben eines Claude Debussy schwelgen. Dessen „les sons et parfums tournent dans les parfums du soir“ sind ein inniges Stimmungsbild des Abends, das mit Duft und feiner Klanglichkeit auf dem Flügel gegeben wurde.
Das Prager Komponisten Jiri Bezdek Moments musicaux für Flöte und Klavier schufen eine witzige und lebhafte Klangwelt vom Vivo an mit überblasend akzentuierten Passagen, ergänzt mit Kapriolen und interessanter Harmonik im Allegro e cantabile. Rhythmisch impulsiv fielen die Dialoge des Scherzando aus und überraschend, ja mit viel Humor schloss das Allegro.
Eine Auftragskomposition extra für das Bodensee Festival ist des Schweizer Komponisten Frederic Bollis polyphon-monophon für Flöte und Klavier. Ein verspieltes Stück mit raffinierten Akkorden im monophonen Teil und changierenden kontrapunktischen Abschnitten im polyphon überschriebenen Satz, von den beiden Musikern wurde diese Piece lebendig vorgetragen.
Eingefügt zwischen zwei Klavier-Stücke Debussys wurde dessen bekanntes Flötenwerk Syrinx. Einst anlässlich eines Theaterstücks zusammen mit einer aparten Tänzerin aufgeführt, stellte sich auch im Salon des Rosenegg Jan Ostry in einen hinteren Winkel des Raumes und die Tänzerin entstand für das Publikum nur in der Fantasie, wie er in seinem humorvollen Kommentar betonte, denn sein Kollege an den Tasten können da nicht mitmachen. Während die Töne dieses Flötenspiel des bocksfüssigen Pan a la Debussy exzellent einfingen. Zwei Feen und mädchenhafte Tänze für Klavier ebenfalls aus Debussys Feder rahmten dieses Flötenspiel exquisit.
Franz Schuberts Introduktion, Thema und Variationen über das Lied „trockene Blumen“ aus der „schönen Müllerin“ von 1826 ist wohl das bedeutendste musikalische Flötenwerk der Romantik, dieser an Flöten- Stücken eher Armen Zeit im Vergleich zum 18. Jahrhundert. In allen Variationen wurde es sehr virtuos und verspielt dargebracht. Auch das konnte Schubert vortrefflich.
Barocke, moderne und romantische Musik für den Salon brachte das Kammerkonzert für Flöte und Klavier im Rosenegg also gekonnt zusammen.

Jean B. de Grammont24korRezension55