In seiner Frankfurter Zeit begann Georg Philipp Telemann mit der Publikation von Kammermusikwerken im Eigenverlag.
Dazu zählten 6 Sonaten für Violine und Cembalo, 6 Sonatinen für dieselbe Besetzung und die 6 Partiten der „kleinen Kammermusik“.
Zuletzt publizierte Telemann im Jahr 1718 die Six Trio in raffinierten Kombinationen.
Jedesmal wird die Violine mit einem anderen Instrument kombiniert.
Alle Werkgruppen sind bislang von der Phono-Industrie recht stiefmütterlich behandelt worden.
So gibt es kaum Gesamt-Aufnahmen davon. Obgleich alle Stücke zu den besten Kammermusik-Werken des Barock zählen. Auch in Konzerten sind diese Stücke selten zu hören.
Zuerst hat die Camerata Köln diesen Zyklus vor langer Zeit vollständig aufgenommen. Eine bis heute ausgezeichnete Aufnahme.
Nun schickt sich das französische Ensemble Les Timbres zusammen mit der japanischen Formation Harmonia Lenis an, diese Preziosen erneut einzuspielen. Endlich!
Das belgische Label Flora hat daraus eine sehr ansprechende bibliophil gestaltete CD gemacht mit Faksimiles des Notenstichs und einem charmanten Tierbild musizierender Affen, Hunde und Katzen, des großen französischen Rokoko-Malers Christophe Huet auf dem Cover.
Freilich ist Telemann weder Katzen noch Hundemusik und zum Glück nicht von teutonischer Langeweile.
Ja es ging mit diesem Telemann Programm im Land der Hochkultur in allen Lebenslagen, nämlich Frankreich, sogar auf Tournee unter dem Motto: Telemann le celèbre inconnu.
Gilles Cantagruel, ein bedeutender Bach Forscher, hat lange nach Romain Rolland mit seiner Telemann Biografie in Frankreich für etwas mehr Popularität dieses Komponisten gesorgt.
Die Ensembles gestalten diese Telemann Trios mit Bedacht und legen viel Wert auf ansprechende Verzierungen in den langsamen Sätzen, inspiriert von Telemanns Metodischen Sonaten, in denen der Komponist Vorschläge macht, wie man einen langsamen Satz kunstvoll ausziert.
Myriam Rignol, die den mit Zitaten aus Telemanns Autobiografien gespickten Text zur CD geschrieben hat, sagt treffend:Telemann ohne Ornamente wäre wie Schloss Sans-Souci ohne Stuck.
Das erste Trio ist quasi ein dreisätziges italienisches Concerto für Oboe, Violine und Basso Continuo. Yuko Kawakubo spielt mit feiner Tongebung und eleganter Bogenführung die Barockvioline mit schönem Schmelz. Antoine Torunczyk hat einen kraftvollen Oboenton und lässt Triller und Details sehr stimmig einfließen. Da beginnt der Eröffnungssatz zu tanzen.
Die Siciilana hebt an zu singen wie ein Kammerduett von Caldara oder Steffani. Myriam Rignol an der Gambe und Julien Wolfs am Cembalo gestalten den Generalbass ansprechend und mit satter Klangkultur.
Im zweiten Trio für Flauto dolce und Violine kommt eine klanglich sehr reizvolle Truhenorgel hinzu. Akemi Murakami spielt diese.
Kenechi Mizuuchi spielt die Blockflöte mit delikat ausdrucksvoller Süße. Eine Sonata da chiesa in vier Sätzen mit viel Kunst im Verborgenen.
Continuo Kontrapunkte im Einganssatz zu einer Aria der Flauto und Begleit-Arpeggien der Violine. Ein feiner konzertierender Ritornellsatz.
Ein lamentöses Grave und ein wohlgemerkt kanonisches Menuett mit einem zauberhaften Trio a deux lassen diese Sonata auf französische Art ausklingen. Pizzicato Tupfer beleben den Tanz im da capo von Menuett 1.
Geradezu galant empfindsam gibt sich das Trio für Traverso und Violine, was ebenfalls viersätzig ist.
In beiden langsamen Sätzen entspinnen sich wunderschöne Dialoge. Und tänzerische Caprice entfalten die raschen Sätze. Stefanie Troffaes spielt die Traverso mit kräuselnder Anmut.
Das folgende Trio ist dagegen eine Hommage an Arcangelo Corelli, indem zwei Geigen über dem Fondamento singen. Schwelgend im Eingangs-Satz, hurtig konzertant im Vivace, klagend expressiv im Largo und als virtuose Fuge im Finale, die mit raschen Läufen überrascht und jäh in einem Unisono schließt. Yukiko Murakami spielt die zweite Geige trefflich. Hier übernimmt Elena Andreyev das Cello.
Ein besonderes Trio in seiner Ausdruckskraft ist das für Violine und Gambe, ebenfalls als viersätzige Sonata da Chiesa angelegt. Dissonante Vorhalte überraschen im ersten Satz. Die schnellen Sätze konzertieren dichtgearbeitet und mit Furore. Ein wunderschöner Ruhepunkt ist der dritte Satz. Bach und Händel könnten das nicht besser. Wie Myriam Rignol und Yuko Kawakubo hier ihre Parts gestalten verdient Bewunderung. Teils beziehen sie ein französisches Vibrato mit ein und ihre Auszierungen sind immer stimmig.
Im sechsten Trio endlich kombiniert Telemann das Fagott (oder Cello) mit der Geige.
Koboldhaft und sonor holzig purzelt das Barock-Fagott von Yukuki Murakami durch die drei Sätze des wieder Concerto-artigen Trios. Mit einem witzigen Schluss. Es ist wie eine Opera buffa en miniature.
Das ist eine Aufnahme von erlesener Feinheit, die diesen Meisterwerken barocker Trio-Kunst von Telemann mehr als gerecht wird.
Zusätzlich finden sich auf der CD noch zwei Trios aus der großartigen Sammlung Telemanns, nämlich den Essercizii Musici von -nach neuesten Forschungen- 1728.
Diese bedienen ein konzertierendes Cembalo zusätzlich zum Continuo Cembalo bzw. zur Truhenorgel.
So etwas schrieb zu dieser Zeit nur noch Johann Sebastian Bach.
Besonders subtil fällt die Gamben-Sonate aus. Selten habe ich diese so klangschön und elegant gehört. Auch das Trio für Flauto dolce und Cembalo concertato gelingt federleicht und duftig voller Grazie des Rokoko.
Eine wirklich empfehlenswerte Aufnahme!
Ich hoffe auf weitere Telemann Einspielungen dieser Ensembles.
Jean B. de Grammont