Rossinis Petite Messe Solonelle


Soeben ist wieder eine Aufnahme von Rossinis Petite Messe solennelle beim Label CPO erschienen, die sich einreiht in die ausgezeichneten neueren Interpretationen, die historisch informierte Ambitionen haben.
Wie etwa die grandiose Aufnahme des RIAS Kammerchors von 2001 unter Marcus Creed, die gar den Preis der deutschen Schallplattenkritik erwerben konnte, wobei der Chor von zwei historischen Pleyel Flügeln und einem Harmonium d’époque accompagniert wird.

Die Rheinische Kantorei ist für Ihre stilgerechte Herangehensweise bekannt und ihr langjähriger Leiter Hermann Max hat viel wertvolles Repertoire erschlossen, das zuvor eher am Rande der Wahrnehmung lag.

Nun ist dessen Nachfolger Edzard Burchards am Zuge und bringt den Chor mit eindringlicher Emphase und intimen Leuchten in die Schönheiten von Gioacchino Rossinis letzter Sünde geistlicher Art in einem Mitschnitt vom Festival Alter Musik Knechtsteden 2016.
Auf nur einem historischen Erard Flügel begleitet Tobias Koch und Christian Gerharz spielt ein klangvolles Harmonium.

Wir haben die Gunst der Stunde genutzt und uns auf das Hören a la Rossini vorbereitet.
Denn um gute Musik zu hören, bedarf es vielleicht insbesondere bei Rossini entsprechender Einstimmung. Was nicht heißen soll, Rossinis Musik wäre ohne solche ohne Wirkung. In einem gräflichen Privatgarten nehme man also ein frugales Picknick zu sich, sofern es möglich ist. Schließlich wurde die Petite Messe Solonelle für die Einweihung der Privat-Kapelle des verstorbenen Freundes von Rossini dem Comte Michel-Frédéric Pillet-Will uraufgeführt vor prominentem Publikum.
Wir hielten unser Picknick in einem von Rosen umrankten Pavillon. Tafelten bei einem französischen Schaumwein u.a. Lachs, Trüffel-Salami, Büffel-Käse, Weintrauben und Nussbrot wie eine Créme brulée zum Dessert. Hernach begaben wir uns in die kleine alte Holzkapelle daselbst und hörten diese kleine Missa in den Kühlungen des kleinen tonnengewölbten Raumes und vor dem Eingang auf den Stufen sitzend mit dem Kopfhörer, fast wie ein Einsiedler in der Waldeinsamkeit. So hätte es sicher auch Maestro Gioacchino gefallen und Abitte gegenüber einer etwaigen Völlerei wäre ihm gewiss gewährt worden.

Klein ist Rossinis 1863 in der Sommerfrische von Passy bei Paris komponierte Missa allenfalls von der Besetzung her und des Komponisten Ironie wird damit offenbar. Bewusst verzichtet Rossini auf den Bombast eines großen Orchesters, wie es seinerzeit üblich war. Freilich ist diese Missa zweifelsfrei ein Meisterwerk unter seinen wenigen großformatigen geistlichen Kompositionen. Nach einem Kuraufenthalt in Bad Wildbad im Sommer 1862 begann Rossini wieder zu komponieren und eine ganze Menge kleinerer Stücke für Klavier und Kammermusik, auch für Singstimmen kam dabei raus, was Rossini allesamt augenzwinkernd als Sünden des Alters bezeichnete.

Das auch Rossini den stilus anticus beherrschte und den Kontrapunkt zeigt diese Missa allemal.
Palestrina wie Pergolesi standen Pate und selbst Johann Sebastian Bach, dessen gerade erscheinende Werkausgabe Rossini abonniert hatte. Freilich ist gerade das Christe eleison, das a capella ganz im Palestrina Stil gehalten ist, ein Zitat aus einer Messe seines Freunde Abraham Louis Niedermeyer. Insbesondere das Prelude religieux zum Offertorium, hier vor allem auf dem Harmonium gespielt, mutet an wie eine Hommage an die Präludien aus Bachs Wohltemperierten Klavier in seiner stimmigen chromatischen Faktur. Freilich war Bach für Rossini, wie er treffend sagte, nur in knapper Dosis ertragbar, „zehn Minuten Bach sind sublim, eine Viertelstunde dagegen mörderisch“.

Zum Glück hat Rossinis Messe also keine teutonische „Tiefe“ in Bachs Sinne. Die Solisten Dorothee Mields Sopran und Nicole Pieper Alt, Tobias Hunger Tenor und Felix Schwandtke Bass geben ihre teils opernhaften Partien mit schmelzendem Belcanto und es ist stets eine Freude zuzuhören.
Und warum sollte der liebe Gott Maestro Rossini nicht ins Paradies lassen, wenn seine Missa so innig und eindrücklich vorgetragen wird wie hier.
So setzte Rossini folgende Zeilen unter sein Autograph in französischer Sprache:

Lieber Gott-viola, nun ist diese arme Messe beendet. Ist es eine wirklich heilige Musik, die ich da gemacht habe, oder ist es vermaledeite Musik? Ich wurde für die Opera buffa geboren, das weißt Du wohl! Wenig Wissen, ein bisschen Herz, das ist alles. Sei also gepriesen und gewähre mir das Paradies.
Dem ist nichts, hinzu zu fügen.
Jean B. de Grammont